Evangelische Kirchengemeinde Kenzingen

Jubilate 1999, Psalm 37,12+13

Das Lachen Gottes

In zwei unterschiedlichen Fassungen hören wir unseren Predigttext (Psalm 37, Vers 12 und 13).
In der Lutherübersetzung heißt es:
Der Gottlose droht dem Gerechten und beißt die Zähne zusammen über ihn, aber der Herr lachet sein, denn er sieht, daß sein Tag kommt.

In der "Guten Nachricht" wird der Text so übersetzt:

Wer Gott mißachtet, schmiedet Pläne, zähneknirschend und voller Haß, um dem zu schaden, der Gott gehorcht. Der Herr aber lacht über seine Feinde, denn er weiß, daß der Tag der Abrechnung kommt.

Don Camillo und Pepone

"Jesus", sagte er, "verzeihe mir, aber ich haue ihm eine herunter." "Denke nicht einmal daran," antwortete Jesus, "ich habe ihm vergeben, du mußt ihm auch vergeben..." "Jesus, traue diesen Roten nicht, sie sind furchtbar heimtückisch..." "Ein Gesicht, wie alle anderen, Don Camillo, in dein Herz hat sich Gift eingeschlichen..."

"In Ordnung", flüsterte Don Camillo, indem er die Hände faltete und zu Jesus hinaufschaute, "die Hände sind zum Segnen da, nicht aber die Füße!" "Auch das ist wahr", sagte Jesus vom Hochaltar, "aber ich bitte dich, Don Camillo, nur einen..."

Der Fußtritt traf wie ein Blitz. Pepone steckte ihn, ohne mit der Wimper zu zucken, ein, stand auf und seufzte erleichtert: "Zehn Minuten warte ich schon darauf. Jetzt fühle ich mich schon viel besser." "Ich auch," rief Don Camillo und sein Herz war jetzt leicht und rein, wie der heitere Himmel. Jesus sagte nichts. Man sah ihm aber an, daß auch er zufrieden war." [1]


Liebe Gemeinde!

Don Camillos Christus vom Hochaltar ist zufrieden, bei anderen Gelegenheiten lächelt er. Doch wie steht es um diesen Ausdruck des Gefühls im biblischen Wort? Von Jesus wird uns überliefert, daß er Gefühle zeigt: Er weint, ist zornig oder erschüttert, stößt Tische um, oder ist müde und schläft. Von einem Lachen Jesu hören wir in den Evangelien nichts. Nur in zwei außerbiblischen Kindheitserzählungen des Thomas wird uns berichtet, daß er einmal einen Lehrer an- und einmal einen anderen auslacht. [2]

Aber ich kann mir einen freundlichen, schelmisch lächelnden oder lachenden Jesus gut vorstellen. Denken wir nur an einige Beispiele, die er sich einfallen ließ, um seinen Zuhörern das Hören und Glauben zu erleichtern: Da kann ein Kamel eher durch ein Nadelöhr gehen, als daß ein Reicher in den Himmel kommt.[3] Da können wir zwar den Splitter im Auge eines Mitmenschen sehen, doch bemerken den Balken im eigenen Auge nicht.[4] Da wird den Pharisäern gesagt, daß sie die "Mücke heraussieben, doch das Kamel verschlucken"[5] Wenn wir uns diese Beispiele einmal wirklich bildlich vorstellen, kommen auch wir nicht um ein Schmunzeln herum.

In den Wunderberichten des Neuen Testamentes geht Jesus über den See, anstatt die gut ausgebaute Landstraße zu benutzen. [6] Er macht aus Wasser Wein. [7] und erspart den Hochzeitsleuten damit eine Peinlichkeit, die eigentlich nicht passieren darf. Diese Beispiele zeigen, wie nah der wirkliche Jesus dem von Don Camillos Hochaltar aus unserer Geschichte ist. Es ist ein auf den Menschen zukommender, freundlicher und sicherlich zuweilen auch lachender Jesus, der uns so auch aus dem biblischen Wort entgegentritt.

Schon für die Kirchenväter war die Frage wichtig, ob Jesus gelacht haben könnte, denn mit dieser Frage suchte man eine Antwort darauf, ob Jesus wahrer Mensch oder wahrer Gott gewesen ist? Da man sich Gott nicht lachend vorstellen konnte, war das Lachen in Klöstern unüblich und galt als unchristliche Narretei. Doch es gab auch Ansichten, die sich für ein Lachen Jesu aussprachen, da er schließlich ein Mensch gewesen sei und das Lachen nun einmal zur menschlichen Natur gehört. [8]

Einer der Kirchenväter sagte einmal: "Zuweilen auch lache ich, mache Spaß, spiele, bin Mensch!"[9] Lachen, Spaß an den Erfahrungen, die das Leben mit sich bringt und Spiel als ein wesentlicher Ausdruck für die Existenz des Menschen, für ein Leben, das mehr ist als nur ein stummes Vergehen.

Die Frage, ob Gott Humor hat und ob er lachen kann, hat Juden und Christen immer wieder beschäftigt. So finden wir im Talmud, der Schriftensammlung der Juden, einen entsprechenden Text: "Eine Anzahl rabbinischer Gelehrter war in Bezug auf die Auslegung einer Gesetzesfrage durch einen ihrer Kollegen gar nicht einverstanden, worauf sich eine lebhafte Diskussion entwickelt, in welche - der Überlieferung nach - sogar der Himmel eingreift ... Dann geschah es, daß Rabbi Nathan, einer der Teilnehmer an dem Gespräch, den Propheten Elia traf, der gerade einen Spaziergang auf Erden machte, und er fragte den Propheten: `Was hat Gott selber gesagt, als wir diesen Streit hatten’? Der Prophet gab zur Antwort: `Gott lächelte und sagte: Meine Kinder haben gewonnen, meine Kinder haben gewonnen...’"[10]

Hier ist Gottes Lachen nun ein ganz anderes, als in unserem Psalmwort, denn Gott freut sich über den mündig gewordenen Menschen, der die rechte Auslegung der Heiligen Schrift temperamentvoll und auch gegensätzlich diskutieren kann. Die Wahrheit des Glaubens erschließt sich uns in einem ernsthaften Nachdenken, im gemeinsamen Dialog, und die Menschen haben dort gewonnen, wo sie ihre Kraft neben die notwendigen Existenzfragen eben auch auf die Fragen nach dem Grund und Ziel ihres Glaubens konzentrieren.

Von einem Lachen Gottes hören wir in drei Psalmworten [11], die alle in die gleiche Richtung weisen. Es ist ein Lachen, das gar nicht fröhlich und befreiend klingt, wie wir es wohl erwarten würden. Vielmehr scheint es überlegen, ja vielleicht sogar bedrohlich. Gott lacht, spottend über allerlei mögliche Anmaßungen des Menschen.

In seiner Auslegung zu unserem Psalm schreibt Martin Luther über das Lachen Gottes: "Wie könnt uns ein stärkerer Trost gegeben werden, wenn die wütenden Feinde des Evangeliums all ihre Macht und Bosheit anwenden und mit ganzem Ernst den Gerechten, d.h. den an Gott Glaubenden mit den Zähnen zu zerreißen meinen. Gott verachtet sie aber so sehr, daß er ihrer lacht, weil er sieht, wie kurze Zeit sie wüten werden ... Nicht, daß Gott wie ein Mensch lacht, sondern in Wahrheit ist es lächerlich anzusehen, daß die tollen Menschen so sehr wüten und sich große Dinge vornehmen, von denen sie doch nicht ein Haarbreit ausrichten können, gleich wie der ein lächerlicher Narr ist, der einen langen Spieß und kurzen Degen nimmt und die Sonne vom Himmel herabstechen will..."[12]

Die biblische Aussage von der Ebenbildlichkeit des Menschen mit Gott im Schöpfungsbericht läßt die Frage nach einem Lachen Gottes zu. Bei allem, was uns in unserer menschlichen Existenz immer wieder einmal beschweren mag, ist es wichtig zu wissen, daß unser Gott lachen kann, weil er den längeren Atem hat. Und es ist für uns notwendig, lachen zu können, weil dies ein Ausdruck persönlicher Freiheit ist, ganz unabhängig von der Situation, in der wir uns befinden.

Der 126. Psalm beschreibt uns eine Situation, in der Menschen bedrängt sind, wo das Klagen näher liegt als das Lachen: Das jüdische Volk ist in der babylonischen Gefangenschaft, in einer Situation also, die wirklich wenig Anlaß zu Hoffnung und Freude gab. Und in diese Situation hinein wird nun tröstend gesagt: "Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird, dann werden wir sein wie die Träumenden, dann wird unser Mund voll Lachen sein..."

Dieses über die Grenzen der Gefangenschaft hinaus weisende Lachen stellt uns angesichts unserer Grenzen vor die Frage, wie denn in einer Welt noch gelacht werden kann, in der nicht alle Tränen abgewischt sind, wo die Menschlichkeit immer noch unterdrückt und das Menschsein beleidigt wird? Wie also gehen wir, die scheinbar doch erwachsen gewordenen Kinder Gottes mit uns selbst und mit der Schöpfung Gottes um?

Die Bibel weiß in ihrer Weisheit, daß "das Weinen seine Zeit hat und das Lachen"[13], weil beides ein lebendiger Ausdruck unseres Menschseins ist, und wo wir unfähig sind, über uns oder andere zu weinen, da werden wir oftmals über uns selbst oder mit anderen auch nicht lachen können. In einer solchen Offenheit für die Situation des Menschen kann Paulus sagen: "Freut euch mit den Fröhlichen, und weinet mit den Weinenden"[14]. Mit der "Unfähigkeit zu trauern" (A. Mitscherlich), korrespondiert vermutlich unsere vielfache Unfähigkeit zu tieferer Freude, zu fröhlichem und befreiendem Spiel und einem strahlenden und unbeschwerten Lachen. Als Christen dürfen wir miteinander trauern und miteinander lachen, weil beide Erfahrungen unser ganzes Leben widerspiegeln.

Bis in die Liturgie der mittelalterlichen Kirchen und der Ostkirchen hinein, spielt das Lachen des Menschen eine Rolle. Der Karfreitagstrauer über die Kreuzigung Jesu folgt am Ostersonntag dem alten Osterruf: "Er ist auferstanden, Er ist wahrhaftig auferstanden" das Osterlachen. Darauf hin stimmt die Gemeinde in ein schallendes und befreiendes Lachen ein, weil Hölle, Tod und Teufel mit dieser Botschaft überwunden sind und die lange Fastenzeit endlich ein Ende gefunden hat.[15]

In seinem letzten "Offenen Brief" sagt der große evangelische Theologe Karl Barth an Christen in Südostasien: "Ein Christ treibt dann gute Theologie, wenn er im Grunde immer fröhlich, ja mit Humor bei der Sache ist. Nur keine verdrießlichen Theologen! Nur keine langweilige Theologie..." [16]

Gegen Ende seines Lebens, in seinem Todesjahr, schreibt Luther noch einmal einen kurzen Kommentar zu unserem Predigttext. Er sagt dort: "Denn wenn der Heilige Geist sagt, Gott lache und spotte den Gottlosen, so tut er es um unseretwillen, damit auch wir mit Gott lachen und nicht zittern und zagen ... Wer das immer und überall kann, der ist ein wahrer Doktor der Theologie, aber weder Petrus, noch Paulus, noch die anderen Apostel haben es gekonnt, darum müssen auch wir bekennen, daß wir in dieser Kunst noch Schüler und noch keine Doktoren sind".[17]

Ich denke, daß wir Gott manchmal durch eine schlechte Theologie viel zu bedrohlich, strafend, ernst und humorlos glauben. Doch: Gott lacht! Unser Gott lacht das Lachen des Sorglosen und Überlegenen. Er lacht trotz dessen, was wir an Auflehnung und Ablehnung gegen ihn zustande bringen. Das sollte uns nachdenklich stimmten: Warnung und Mut machend zugleich sein.

Mit Gott lachen können, heißt für uns im Sinne Luthers, die Welt zwar wahrzunehmen wie sie nun einmal in all ihrer Bedrohlichkeit und Entfremdung auch sein kann, sich aber davon nicht schrecken zu lassen. Mit Gott lachen, heißt dann, mit Gott zusammen den Dingen dieser Welt auch manchmal sorgloser und überlegener gegenüber zu stehen.

Mit einem so begründeten Lachen sind wir Missionare eines mit lachenden Gottes, in einer Welt, der das Lachen zu oft abhanden gekommen ist. Mit unserem Lachen dürfen wir etwas aufzeigen von einem Evangelium der Freiheit, der Freude und einem Glauben, der die Wirklichkeit der Welt zwar ernst nimmt, aber gerade darüber Gott nicht aus dem Blick verliert. So wollen wir ihm dafür danken, daß er uns - trotz allem - mit Humor begegnet, und darum immer wieder einmal selbst dankbar und fröhlich lachen.
Amen.


Literaturhinweise:

  1. Guareschi, G., Don Camillo und Pepone, Otto Müller Verlag, Salzburg 1950, S. 32
  2. Hernecke-Schneemelcher; Neutestamentliche Apokryphen, 3. Aufl., Band 1, Evangelien, J.C.B. Mohr, Tübingen 1959, S. 295 und 297
  3. Matthäus 19, 24
  4. Matthäus 7,3
  5. Matthäus 23, 24
  6. Matthäus 14, 25
  7. Johannes 2,1
  8. Eco, U., Der Name der Rose, Carl Hansa Verlag, München 1982, S. 126
  9. Plinius d. Jüngere, zitiert aus: Umberto E., a.a.0. S. 169
  10. Talmud, Baba Meziah 59,b zitiert aus: E. Fromm, Psychoanalyse und Religion, Diana Verlag Zürich 1966, S. 58
  11. Psalm 2,4; Psalm 37, 12+13; Psalm 59,9
  12. Mühlhaupt, E., (Hrsg.) Luthers Psalmen - Auslegung Band 2, Vandenhoeck + Rupprecht Göttingen 1962, S. 84
  13. Prediger 3
  14. Römer 12,15
  15. Thilicke, H., Das Lachen der Heiligen und Narren, Heder, Band 491, S.74, Zeller, P.; Theologisches Handwörterbuch, Band II, Calw/Stuttgart 1905 unter
    "Osterfest", S. 319 ff - der "Risus paschalis"
  16. Erler, Marquard, Karl Barth, Mit dem Anfang Anfangen, TVZ 1985, S. 25
  17. Mühlhaupt, E., (Hrsg), Luthers Psalmen Auslegung, Bd 1, Vandenhoeck und Rupprecht, Göttingen 1962, S. 68

    Weitere Literatur zum Thema:
     
  18. Reiser, A., ATD, Die Psalmen, Vandenhoeck und Rupprecht, Göttingen, 1968
  19. Kretz, L., Witz, Humor und Ironie bei Jesus, Walter Verlag, Olten, 1981
  20. Rahner, K., Rechenschaft des Glaubens, Hrsg. Karl Lehmann und A. Raffelt,
    Benzinger/Herder 1979, S. 87ff
  21. Barth, K., Offene Briefe, GA, Band 15, S. 331 und 554

Zum "Osterlachen", s. Lied: EG 103, Gelobt sei Gott im höchsten Thron

Pfr. Hanns-Heinrich Schneider
Letzte Änderung: 06.09.2000