Evangelische Kirchengemeinde Kenzingen

100 Jahre Evangelische Kantorei Kenzingen, 18. Januar 1998, Psalm 150,
Kantate: Alles was ihr tut, Dietrich Buxtehude

Das große Halleluja

Halleluja! Lobt Gott in seinem Heiligtum, lobt ihn in der Feste seiner Macht! Lobt ihn für seine Taten, lobt ihn in seiner großen Herrlichkeit! Lobt ihn mit Posaunen, lobt ihn mit Psalter und Harfen! Lobt ihn mit Pauken und Reigen, lobt ihn mit Saiten und Pfeifen! Lobt ihn mit klingendem Schlagzeug, lobt ihn mit Schlagzeug, das dröhnt! Alles, was atmet, lobe den HERRN! Halleluja!

Psalm 150


Liebe Gemeinde!

100 Jahre Kirchenchor und Kantorei in einer ja noch relativ jungen Kirchengemeinde, das ist ein Grund zur Freude, zur Dankbarkeit. Welch ein unglaubliches Engagement kommt hier zum Ausdruck, welch eine Liebe zur Musik! Die Arbeit einer Kantorei geht über eine bloße Freizeitgestaltung weit hinaus, da die Sängerinnen und Sänger auch dann eingespannt bleiben, wenn sich die Freizeit in einen Dienst für andere wandelt. Die Chormusik ist Teil aller gottesdienstlichen Verkündigung, sie gelingt oder misslingt - und bleibt doch Gottes-Dienst, Dienst zur Ehre Gottes. Dies geschieht durch unser Singen und Musizieren, wie aber auch schon durch unser Hören allein. "Alles, was ihr tut, alles, was ihr tut, das tut alles im Namen Jesu," so wurde es ja gerade von der Kantorei gesungen.

So wird aus diesem Festgottesdienst sogleich ein Dankgottesdienst. Wir danken Gott selbst für die unendlich vielen Möglichkeiten der Musik in unserem Leben und allen, die sich durch Generationen hindurch Woche für Woche zu den Proben trafen und treffen, um sich auf das Singen und Musizieren im Gottesdienst und für andere festliche Anlässe vorzubereiten. Kriege und Inflationen, Notzeiten und das Wirtschaftswunder kennzeichnen die vergangenen 100 Jahre. Mit welchen Gefühlen mögen da die Sängerinnen und Sänger manchmal zur Probe gekommen sein? Mit den Aktiven wechselten die Kirchengemeinderäte in der Gemeinde, Dirigenten und Pfarrer. Daher bleibt alle Chorarbeit über unendliche Zeitspannen hinweg auch Herausforderungen und Belastungen unterworfen. Sie spiegelt das Leben einer bestimmten Zeit und damit auch persönlicher Lebenssituationen wider.

Seit Menschen ihre Götter verehren, wird Gesang und Musik zum Instrument des Gotteslobes. Dies gilt in gleicher Weise für das Judentum, wie dann später für uns Christen. Die Psalmen sind eine Sammlung von 150 gesungenen und musizierten Gebeten. Da wird das ganze Leben vor Gott gebracht und bedacht: Höhen und Tiefen gleichermaßen, Schuld und Versagen, der zuversichtliche Glaube, wie der bohrende Zweifel. Gerade hier, in den Psalmen, wird spürbar, wie nah ein biblischer Mensch mit seinem Leben uns heute - über die Zeiten hinweg - kommen kann.

Beginnen die Psalmen mit der Frage: Wie kann ein Mensch vor Gott und anderen Menschen gerecht leben, nämlich, in dem er auf das Wort, die Weisungen Gottes hört, so schließen die Psalmen mit einem unendlichen Lob Gottes. Gegen die vielfachen Missklänge in der Welt, die unser Leben begleiten, ist die ganze Gemeinde aufgerufen, Gott zu loben, und dazu werden alle Register gezogen: Gesang, Tanz und Spiel werden von allen Instrumenten begleitet. Für das Lob Gottes wird alles zum Klingen gebracht, was einen Ton hervorbringt. Mehr muss; dann nicht gesagt, gesungen, musiziert werden. Diese Sammlung biblischer Gebete mündet ein in das Halleluja: Lobt Gott, lobt alle den Herrn.

Das klingt hier wie ein "Amen", ein Schlusspunkt ist gesetzt, der uns in diesem Geist in unser Leben, in unseren Alltag, entlässt.

"Von der Musik ist zu sagen", so beschreibt es Martin Luther einmal sehr eindrucksvoll, "dass nach dem heiligen Wort Gottes nichts so hoch zu rühmen ist, weil sie aller Bewegung des menschlichen Herzens mächtig und gewaltig ist. Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Fröhlichen traurig, die Verzagten herzhaft, die Hoffärtigen demütig zu machen, die Hitzigen zu dämpfen, den Hass zu mindern. Der Heilige Geist ehrt selbst diese edle Kunst als seines Amtes Werkzeug ... Erfahrung beweist, dass nach dem Wort Gottes nur die Musik verdient, als Herrin und Regentin der Empfindungen des menschlichen Herzens gepriesen zu werden. Wir wissen, dass sie den Teufeln verhasst und unerträglich ist, mein Herz ( ...) fließt über beim Hören der Musik, die mich so oft erfrischt und von schweren Ängsten befreit hat ..."

Von hieraus wird verständlich, warum mit der Reformation gerade die Kirchenmusik eine so bedeutende Rolle für den Gottesdienst und das Gotteslob darüber hinaus bekam. Ob mit Joseph Haydn, Dietrich Buxtehude oder Johann Sebastian Bach, ob mit Wolfgang Amadeus Mozart, Max Reger oder Hugo Diestler wir bekommen aus ihrem geistlichen Werk das Wort Gottes musikalisch verkündigt, womit der Glaube auf eine ganz spezielle und eigene Art zum Ausdruck gebracht ist. Es kommt allein darauf an, wie wir ihre Musik hören - und erst so ist sie mehr, als ein austauschbares Kulturgut.

Dies ist ein Hinweis dafür, dass in unseren Gottesdiensten und kirchlichen Räumen auch neue und vielleicht einmal ganz andere Klänge zu Gehör kommen dürfen. Denn es kommt nun einmal gar nicht so sehr darauf an, was wir singen und musizieren und wie perfekt oder unperfekt wir es tun, als vielmehr darauf, dass wir es tun und aus welchem Geist heraus. Da mag ein jeder von uns seine Form finden, um mit der Musik anderen Menschen eine Freude zu machen, Freizeit sinnvoll zu verbringen oder Gott Dank zu sagen.

Wir kennen den berühmten Bayern im Himmel, dem das `Halleluja’ noch nicht so einfach über die bierseeligen Lippen kommt, wir sehen die barocken Posaunenengel in alten Kirchen, die den Thron Gottes oder Heilige umschwirren - und die musizierenden Engel, die zum Gotteslob um holzgeschnitzte Weihnachtskrippen herum aufmaschieren - ich denke, dass sie alle ein Hinweis auf den Humor Gottes sein können, in jedem Fall aber darauf, dass Gott ohne Musik nicht zu denken und zu glauben ist.

In diesem Sinne schrieb der große evangelische Kirchenlehrer Karl Barth einmal in einem Dankbrief an Mozart: "dass er sich nicht sicher sei, ob die Engel, wenn sie im Lobe Gottes begriffen sind, gerade Bach spielen, - er sei sich aber sicher, dass sie, wenn sie unter sich sind, Mozart spielen und dass ihnen dann doch auch der liebe Gott besonders gerne zuhört ..."

Musik scheint also seit altersher etwas mit dem Himmel zu tun gehabt zu haben, mit der Gegenwart Gottes bei den Menschen. Dort, wo musiziert wird, dürfen wir glauben, dass Gott gegenwärtig ist. Die Musik ist ein lebendiger Teil der Schöpfung, die noch nicht abgeschlossen und zu Ende gebracht ist. Darum haben alle, die singen und musizieren, Teil am Schöpfungswerk Gottes. So wollen wir - gerade heute - miteinander dankbar sein für das Geschenk der Musik in unserem Leben und für alle, die mit uns zusammen oder auch für uns musizieren. Stimmen wir jeden Tag auf unsere Weise und mit unseren eigenen Mitteln und Möglichkeiten neu ein in ein nie endendes Lob unseres Gottes. "Lobt alle den Herrn, alles, was atme, lobe den Herrn".
Amen.


Letzte Änderung: 04.06.2001
Pfr. Hanns-Heinrich Schneider