Evangelische Kirchengemeinde Kenzingen

10.6.2001, Trinitatis, Epheser 1, 3-14

Dreieinigkeit, Kirche in Gochsen

Begrüßung:

Liebe Gemeinde!

Mit dem Sonntag Trinitatis erinnern wir uns an Gott, als Gott den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist. Heute wird, durch unseren Predigttext vorgegeben, das Gotteslob im Vordergrund stehen. Oft sind wir mit unserem Leben so in Anspruch genommen, dass uns das Loben schwer fällt und unser Glaube derartig infrage steht, dass wir an Gott gar nicht mehr denken, geschweige denn mit Lob und Dank. Lassen wir uns dazu heute wieder einmal einladen. Preis und Dank sei unserem Gott, dem Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus!

Gebet:

Herr, unser Gott! Dir bekennen wir, dass uns in unserem Leben Lob und Dank fremd geworden sind. Die Arbeitswelt, der Beruf, die Schule und die vielen Möglichkeiten, unsere Freizeit zu verbringen, nehmen uns so sehr in Anspruch, dass für dich kaum noch Raum da ist. Doch auch in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen stehen zuallererst unsere Ansprüche aneinander im Vordergrund. Unser Alltag bindet und blendet uns, er macht uns unfrei und unfröhlich. Dabei haben wir unendlich viel Grund, dir, Gott, wie anderen Menschen, Lob und Dank zu sagen.

Schenke es uns allen, dass wir nachdenklicher werden über dem Geschenk allen Lebens. Wir haben so viel Grund zur Freude und Dankbarkeit, doch meistens ist unser Leben voller Klagen. Wir sind getauft und Glieder unserer Kirche aber vielfach ist uns der Glaube ins Abseits geraten. Wir nehmen uns zu wenig Zeit, wir setzen uns zu wenig auseinander. Wir sind schneller mit der Kritik, als mit einem freundlichen Wort und Dank. Herr, schenke uns jene Aus-zeit, die uns hilft, zur Ruhe zu kommen, Besinnung zu finden, Raum zu haben für Dich unseren Gott, denn dir sei dankbar Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Gottes Liebe in Christus

Preis und Dank sei unserem Gott, dem Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus! Denn durch Christus hat er uns Anteil gegeben an der Fülle der Gaben seines Geistes in der himmlischen Welt. Schon bevor er die Welt erschuf, hat er uns vor Augen gehabt als Menschen, die zu Christus gehören; in Christus hat er uns schon damals erwählt, dass wir heilig und fehlerlos vor ihm stehen.

Aus Liebe hat er uns dazu bestimmt, seine Söhne und Töchter zu werden durch Jesus Christus und im Blick auf ihn. So war es sein eigener gnädiger Wille, damit wir seine große Güte preisen, die Gnade, die er uns erwiesen hat durch Jesus Christus, seinen geliebten Sohn. Durch dessen Blut sind wir erlöst, unsere ganze Schuld ist uns vergeben. So zeigte Gott uns den Reichtum seiner Gnade. In seiner überströmenden Güte schenkte er uns Einsicht und ließ uns seine Wege erkennen. Er hielt sein Geheimnis vor allen verborgen; niemand erfuhr etwas von seinem Plan, den er durch Christus ausführen wollte. Uns aber hat er bekannt gemacht, wie er nach seiner Absicht die Zeiten zur Erfüllung bringt: Alles im Himmel und auf der Erde wollte er zur Einheit zusammenführen unter Christus als dem Haupt.

Durch Christus haben wir Anteil bekommen am künftigen Heil. Dazu hat Gott uns von Anfang an bestimmt nach seinem Plan und Willen - er, der alle Dinge bewirkt. Denn ein Lobpreis seiner Herrlichkeit sollen wir sein - wir alle, die wir durch Christus von Hoffnung erfüllt sind! Durch Christus habt auch ihr das Wort der Wahrheit gehört, die Gute Nachricht, die euch Rettung bringt, und ihr habt es im Glauben angenommen. Durch Christus hat Gott euch den Heiligen Geist gegeben, den er den Seinen versprochen hatte; damit hat er euch sein Siegel aufgedrückt. Dieser Geist ist das Angeld dafür, dass wir auch alles andere erhalten, alles, was Gott uns versprochen hat. Gott will uns die Erlösung schenken, das endgültige, volle Heil - und das alles wird geschehen zum Lobpreis seiner Herrlichkeit.

Epheser 1, 3-14


Liebe Gemeinde!

Preis und Dank sei unserem Gott! Mit diesen Worten beginnt unser heutiger Predigttext, denen nun eine ganze Sturmflut großer, tiefgründiger theologischer Worte und Gedanken folgt. In einem einzigen Satz, dem Urtext nach, der schier atemlos macht, stellt Paulus seiner Gemeinde Gott als den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist vom Anfang der Schöpfung bis zu ihrer Erlösung vor Augen. Ein Gotteslob der besonderen Art, das die Kirche durch die Zeiten hindurch dazu einlädt, selbst darin einzustimmen und Gott auf ihre Weise zu preisen und zu danken.

In immer neuen Variationen geht es um diesen zeitlosen Gott, um das Lob seiner Herrlichkeit und um eine ganze Reihe von Hinweisen darauf, wie es aussieht, wenn Menschen gesegnet durch ihr Leben gehen, als Teil der guten Schöpfung Gottes. Uns muss heute die Stimme versagen. Die Worte fehlen, um diesen Text nachzubuchstabieren, überhaupt zu empfinden, was Paulus uns sagen will, ja im Grunde damit auch unausgesprochen zumutet. Es ist sein Glaube, der hier zur Sprache kommt, sein Gotteslob, das auf diese Weise bekannt wird. Doch wie können wir es in unserer Zeit hören und vielleicht auf unsere eigene Weise einzustimmen lernen?

Das Grundmotiv dieses Textes, und allein darum kann es heute gehen, ist dieses überschwängliche Lob Gottes durch die Zeit und Geschichte der Welt hindurch. So spannt sich der Bogen von den ersten Worten "Preis und Dank sei unserem Gott!" bis hin zu den letzten "Gott will uns die Erlösung schenken, das endgültige, volle Heil - und das alles wird geschehen zum Lobpreis seiner Herrlichkeit ..." Zwischen diesem Anfang und jenem Ende dürfen wir alles mitschwingen lassen, was unser eigenes Leben bewegt und was wir im Glaubensbekenntnis von Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist bekennen.

Eine erste Erfahrung ist, dass der Glaube und das Leben eines Menschen sich so wenig voneinander trennen lassen, wie das Bekenntnis und das Tun. Alles in unserem Leben wird unglaubwürdig werden, wo wir das nicht erkennen. Wie wollen wir Gott loben, wenn wir unseren Glauben doch längst auf ein paar kirchliche Feste reduziert haben und beim Nachdenken über eine Taufe, die Konfirmation, eine Trauung das Lokal und das, was auf den Tisch kommt, uns mehr in Anspruch nimmt, als der tiefere Grund dieser Feste: der Glaube daran, dass unser Leben etwas mit Gott zu tun hat.

Der Glaube gehört in unser Leben hinein, so, wie sich das Leben nicht vom Glauben abtrennen lässt, ohne Unglaube zu werden. Calvin trifft den Punkt, wenn er sagt: "Nie vertrauen wir Gott genug, es wäre denn im Misstrauen gegen uns selbst ..." [1]

Dabei geht es ja nicht um einen protestantischen Pessimismus, sondern darum, uns ermutigen zu lassen, durch ein kritisches Nachdenken überhaupt zu einem Glauben kommen zu können, der sich Gott verdankt und eben nicht uns selbst. Daher ist es letztlich eine Auseinandersetzung, die uns zu diesem Gotteslob hinführen soll, um nicht vorschnell wieder bei uns Menschen und unserem eigenen Bild von uns selbst oder Gott zu enden. So bleibt auch unser Lob, das Gott zukommt, ein vorläufiges Stammeln, doch schon das wäre mehr als nichts.

EG 182 Halleluja - Suchet zuerst Gottes Reich in dieser Welt

Wer Gott lobt, bekennt sich zu diesem Gott und wird sich eingeladen fühlen, das eigene Bekenntnis mit dem persönlichen Lebensentwurf in Übereinstimmung zu bringen. Eine Herausforderung, mit der wir niemals fertig werden. Natürlich sehen wir dabei auch unsere Verflochtenheit in eine bestimmte Zeit der Welt und ihre ganz konkreten Rahmenbedingungen. Einwände gegen Paulus und unseren Text sind schnell formuliert, womit wir uns herausreden könnten, denn zu weit scheinen wir und unsere Welt von der Erlösung entfernt zu sein, von der hier gesprochen wird.

Viel fällt uns ein, was das Leben verdunkelt, wir müssen uns das alles hier nicht in Erinnerung rufen: der Tod und die Trauer, die Sorge um Zukunft und Beruf, die Familie, Krankheit und Depression oder gar die vielbeschworenen "Sachzwänge", die uns nur allzu schnell festlegen. Es reicht, wenn wir die dunklen Realitäten unseres Lebens wahrnehmen, uns aber nicht von ihnen beherrschen lassen, sondern dennoch mit Gott in unserem Leben rechnen. Durch einen Blickwechsel werden andere Überzeugungen und Wertvorstellungen möglich, die das Leben auf ihre Weise prägen, so dass aus dem fernen ein gegenwärtiger Gott wird, aus Zweifel Glaube erwachsen, aus einer vermeintlichen Sinnlosigkeit Sinn und Orientierung folgen kann.

Was war es denn, dass Menschen auf der Flucht durch die Wüsten ihres Lebens einem Gott begegneten, der sie weiterführte, als von einer Lebenskatastrophe in die nächste und den Göttern um sie herum keine Chance mehr ließ? Unterwegs, durch mehr als holperige Lebenswege und problematischste Biografien wurde der Gott Israels als der ganz persönliche Gott gefunden. Von diesem fühlte man sich begleitet, zu diesem konnte man sein Leid klagen, ihm in guten Stunden des Lebens aber auch Lob und Dank sagen. Was war es denn, was die Christen an ihren Anfängen - angesichts eines Himmels voller Götter - so herausfordernd und anziehend machte? Es war doch gerade dieser Glaube. Sie fanden sich zu einer Gemeinschaft zusammen, in der ein solches Gotteslob, verbunden mit tiefster Dankbarkeit überhaupt möglich war, ungeachtet der vielerlei Gefährdungen für Leib und Leben.

Was ist es dagegen, was uns heute davon abhält, Gott auf unsere Weise Preis und Dank zu sagen, ist uns die Zugehörigkeit zu unserer Volkskirche peinlich geworden? Motto: Man ist in der Kirche (das gehört sich so) und zahlt damit seine Kirchensteuern (wenn auch nur zähneknirschend), doch darüber hinaus möchte man als Christ lieber inkognito bleiben. Dabei schmücken sich unzählige Vereine, Organisationen, ja sogar Parteien mit dem Adjektiv: christlich. Sehr selbstkritisch wäre einmal zu überprüfen, was denn vom biblischen Wort und Geist her gesehen christlich ist?

Wie soll ich meinen Gott loben und wofür, wenn mir dieser Gott längst aus dem Blick geraten ist, und ich, was immer ich auch anfange, eben doch nur bei mir selbst ankomme? Wenn wir uns das einmal eingestehen lernen, dann werden wir sehr bald erkennen, dass es gar nicht ein solcher Text ist, der uns mit seinem überschwänglichen Lob Gottes Schwierigkeiten macht, sondern unsere eigene Welterfahrung, die uns bindet und fesselt. Der Epheserbrief hat nur die Form eines Briefes. Eigentlich ist er eine großangelegte, feierliche Predigt über die Kirche, die sich in ihrem Glauben auf Jesus Christus gründet und beruft. Darum steht Gott und nicht der Mensch am Anfang und am Ende dieses unendlichen Lob Gottes.

Lied: EG 182 5

Ihr seid das Volk, das der Herr sich ausersehn.
Seid eines Sinnes und Geistes.
Ihr seid getauft durch den Geist zu einem Leib.
Halleluja, Halleluja.

Liebe Gemeinde, so geht es doch auch (!), dass ein Text uns dazu einlädt, einmal den Blick, die Blickrichtung zu ändern und sich darüber erhellt, was ansonsten vielfach im Dunkel bliebe. Wir leben allzu oft mit einem Lebensgefühl, das durch eine sterile, graue Spannungslosigkeit gekennzeichnet ist, in der Freude und Glück, Trauer und Schmerz kaum noch ausgelebt werden: doch nur, wer weinen kann, kann auch wirklich herzlich lachen; nur wer den Schmerz spürt, kann für Heilung danken; nur wer sich der Klage nicht verweigert, kann schließlich einmal loben. "Zwar hören wir das Lob Gottes heute manchmal nicht mehr so deutlich. Zu stark ist der Gegenwind. Zu laut die Nebengeräusche. Zu scharf auch hin und wider die eigene Stimme. Aber das bedeutet ja nicht, dass jene Melodie verklungen ist ..." [2]

Wir taufen heute drei Kinder. In was für eine Kirche nehmen wir sie damit auf? Was werden sie in ihren Gemeinden durch uns erleben, in denen sie leben werden, und was wird ihnen in ihren Familien für ein Gottesbild vermittelt? Es sollte ja mit der Fähigkeit zu tun haben, ihr eigenes Leben hoffnungsvoll zu meistern und Gott darüber dankbar loben zu können.

In einer Taufpredigt schrieb Dietrich Bonhoeffer im Mai 1944 aus dem Gefängnis heraus: "Was Versöhnung und Erlösung, was Wiedergeburt und Heiliger Geist, was Feindesliebe, Kreuz und Auferstehung, was Leben in Christus und Nachfolge Christi heißt, das alles ist so schwer und so fern, dass wir es kaum mehr wagen, davon zu sprechen ... Das ist unsere Schuld ... Darum müssen die früheren Worte kraftlos werden und verstummen ...

Es ist nicht unsere Sache, den Tag vorauszusagen - aber der Tag wird kommen -, an dem wieder Menschen berufen werden, das Wort Gottes so auszusprechen, dass sich die Welt darunter verändert und erneuert. Es wird eine Sprache sein, vielleicht ganz unreligiös, aber befreiend und erlösend, wie die Sprache Jesu, dass sich Menschen über sie entsetzen und doch von ihrer Gewalt überwunden werden, die Sprache einer neuen Gerechtigkeit und Wahrheit, die Sprache, die den Frieden Gottes mit den Menschen und das Nahen seines Reiches verkündigt ..." [3]

Ein Wort aus den tiefsten Tiefen, denen ein Mensch ausgeliefert sein kann, für die Zukunft eines Kindes angedacht und damit der Zukunft des Glaubens aller und der Kirche. Wir alle sind damit eingeladen, in den alltäglichen Herausforderungen unseres Lebens, Spuren eines solchen Glaubens zu entdecken und einstimmen zu lernen in das unendliche, dankbare Lob unseres Gottes. Ja, vielleicht sogar mit neuen und anderen Worten, aber es wird die Welt verändern helfen.

Lied: EG 182 9

Freut euch, ihr Christen, nehmt wahr, was Gott verheißt,
dass wir im Dunkel nicht treiben:
Wahrheit und Licht und die Kraft, durch seinen Geist
in seiner Liebe zu bleiben.

Die Bibel ist voller Beschreibungen menschlicher Grenzsituationen von der ersten bis zur letzen Seite, nichts ist ihr fremd, was Menschen an Schuld und Versagen auf sich laden können, an Zweifel und Verzweiflung. Doch ganz dicht daneben finden wir sofort auch einen Glauben, der die Welt auf seine Weise zu begreifen sucht und in ihr zur Sprache kommen will. Darum: "Preis und Dank sei unserem Gott ... zum Lobpreis seiner Herrlichkeit ..." Amen.


Literatur

  1. Barth, K., Die Theologie Calvins, Karl Barth Gesamtausgabe, Zürich 1993, S. 227
  2. Gerts, D., Calwer Predigthilfen, Reihe IV/2, Stuttgart 2000, S. 40
  3. Bonhoeffer, D., Widerstand und Ergebung, Hsg. E. Bethge, München 1966, S.206f

Letzte Änderung: 10.06.2001
Pfr. Hanns-Heinrich Schneider