Anlage zum Vortrag "Karl Barth"

11.3. Sonderpostwertzeichen "Karl Barth", 10/1986

Sonderbriefmarke 10/1986

Copyright (c) Deutsche Post AG, Die Philatelie-CD, Ausgabe 2000/2001, Michel-Nr. 1_1282

100. Geburtstag Karl Barth
Nennwert: 0,80 DM
Entwurf: Hermann Schwahn
Dreifarben-Stichtiefdruck, Bundesdruckerei Berlin
Zähnung: K 14:13 3/4

Der reformierte Theologe Karl Barth wurde am 10. Mai 1886 in Basel geboren. Obwohl von Haus aus Schweizer, fühlte er sich immer besonders mit Deutschland verbunden, wo sein Werk die stärkste Resonanz fand. In einem aufrüttelnden Buch, das er als junger Schweizer Pfarrer schrieb, übte er scharfe Kritik am Protestantismus des 18. und 19. Jahrhunderts. Zugleich rief er darin Kirche und Theologie zu einer grundlegenden und umfassenden Neubesinnung in Orientierung an Gottes Wort auf. Als er 1921 Theologieprofessor in Deutschland wurde, begann er die von ihm geforderte andere Theologie in einem umfangreichen Werk auszuarbeiten. Durch den Hitlerstaat vertrieben, wirkte er seit 1935 bis zu seinem Tod 1968 in Basel. Die Auswirkungen seiner oft überraschenden Erkenntnisse auf Kirche und Theologie in vielen Ländern der Erde und über den Protestantismus hinaus sind unübersehbar vielfältig. Fand er auch manchen Widerspruch, so ist er doch anerkannt als der große christliche Theologe unseres Jahrhunderts. Wenig später nach der Geburt Karl Barths am 10. Mai 1886 in seiner Heimatstadt Basel folgte sein Vater Fritz einem Ruf zum Theologieprofessor in Bern. Hier verbrachte der Sohn seine Jugendjahre. Als Theologiestudent empfing er in Berlin und Marburg tiefe Eindrücke, die ihn zu einem überzeugten Liberalen machten. 1909 wurde er in Genf Hilfsprediger, der auf der alten Kanzel Calvins predigte. Nachdem er 1911 in Safenwil Pfarrer geworden war, ließ ihn die Solidarität mit den benachteiligten Arbeitern seiner Gemeinde zum Sozialisten werden. Bei aller späteren Wandlung, die soziale Dimension des Denkens und das Wagnis nonkonformistischer politischer Stellungnahmen blieben für ihn typisch. In einer kühnen Neudeutung des paulinischen »Römerbriefs« machte der Safenwiler Pfarrer es dem neueren Protestantismus zum Vorwurf, vergessen zu haben, »daß von Gott reden etwas anderes heißt als in etwas erhöhtem Ton vom Menschen reden«; und er rief die Christenheit zu einem ganz neuen Ernstnehmen dessen auf, daß »Gott Gott ist«. Diese kritische Theologie, auch »dialektische Theologie« genannt, wurde vielfach bestritten. Sie wurde aber auch als »kopernikanische Wendung der protestantischen Theologie« gefeiert, und es sammelte sich um sie bald ein Kreis von jungen Theologen (Rudolf Bultmann, Emil Brunner, Friedrich Gogarten, Eduard Thurneysen, Paul Tillich). Seit 1921 wirkte Barth als Theologieprofessor in Göttingen, Münster und Bonn, wo sein Denken nun starke internationale Beachtung fand. Nach allerlei Vorarbeiten begann er in Bonn mit seinem großen Hauptwerk, der »Kirchlichen Dogmatik«, die unvollendet blieb, obwohl sie zuletzt immerhin auf fast 10.000 Seiten zwölf voluminöse Bände umfaßte. Offen für eine Fülle von Stimmen aus der Tradition und Gegenwart und in gründlicher Auseinandersetzung mit ihnen, suchte er darin Theologie und Kirche in neuer Weise auf ihren eigenen Boden zu stellen und sie zugleich zu ihrem Zeugendienst in der Welt zuzurüsten. Der Schlüssel aller Erkenntnis lag dabei für ihn darin, daß Gott selbst sich uns in der Person Jesu Christi ganz erschlossen hat. Nach Anbruch des Hitlerreiches drängte er die deutschen Kirchen und dann auch die Christen der übrigen Länder zu einer Haltung des Widerstandes gegen die herrschende Ideologie. Die Grundlage für diese Haltung fand in der von ihm formulierten Barmer »Theologischen Erklärung« (1934) Ausdruck. Wegen seiner Einstellung aus Deutschland vertrieben, wirkte er von 1935 an in Basel. Nach dem zweiten Weltkrieg ermunterte er im Kalten Krieg die Christen, einen Weg der Freiheit zwischen den Fronten zu gehen, und verband sich mit Albert Schweitzer im Protest gegen die Atomrüstung. Von Haus reformierter Theologe, verstand er sich als Anwalt der Einigung der getrennten Christen in der »Ökumene«. Nicht zufällig hielt er bei der ersten Weltkirchenkonferenz 1948 in Amsterdam das eröffnende Hauptreferat. Auf zahlreichen Auslandsreisen in östliche und westliche Länder, 1962 auch durch die USA, fanden seine Vorträge großes Echo. Die Beschäftigung mit der Erneuerung des Katholizismus durch das zweite Vatikankonzil, in der von ihm gegebene Anstöße zur Geltung kamen, führten ihn noch 1966 zu Gesprächen in den Vatikan. Seine Kämpfernatur war gepaart mit einer Heiterkeit, die sich mit Vorliebe an der Musik Mozarts ergötzte. Er starb am 10. Dezember 1968, geehrt als der »Kirchenvater des 20. Jahrhunderts«. Seine Theologie ist von einer Konzentration auf die Sache Gottes und von einer Offenheit für die Sache der Menschen, daß noch künftige Generationen sich an den Maßstäben werden messen zu lassen haben, die sie gesetzt hat.

(Text: Professor Dr. Eberhard Busch, Universität Göttingen)