segnende Hand

Evangelische Kirchengemeinde Kenzingen

2. S. n. Trinitatis / Johannis, 4. Mose 6, 22-27,
Gottesdienst im Grünen:
Der Segen geht mit

Der Herr segne euch und behüte euch. / Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. / Der Herr hebe sein Angesicht über euch und schenke euch und der ganzen Schöpfung seinen Frieden.

Begrüßung:

Liebe Gemeinde! Heute heiße ich Sie und Euch alle ganz besonders herzlich hier mitten im Wald am Vogtskreuz Willkommen. Wir feiern unseren Gottesdienst im Grünen und haben dafür ein ganz besonderes Thema, das schon unsere Kinder vorgestern am Kinderbibelnachmittag bedacht haben: Der Segen geht mit! Er bleibt nicht irgendwo in unserer Kenzinger Kirche verschlossen, sondern der Segen Gottes hat uns jetzt hierher begleitet. Auch an diesem Ort und in dieser Gemeinschaft spüren wir, was zudem das Motto des vergangenen Kirchentages in Frankfurt zum Ausdruck bringen wollte: Du stellst unsere Füße auf weiten Raum (Psalm 31,9)! Ich wünsche uns allen einen recht fröhlichen und gesegneten Gottesdienst.

Kinder bringen eine Kerze zum Altar und singen: Gottes Liebe ist so wunderbar!

Segensgebet:

Segen - in einer Kirche des Wortes scheint es senkrecht vom Himmel zu kom-men, direkt in unsere Gedanken und in unser Herz als ein Segens-Wort.

Menschen, die mit ihrem ganzen Leben glauben, mit Leib und Seele und Haut und Haar, spüren ihn in allen Dingen, zwischen ihnen und anderen und dann auch über alles hinaus:

Er ist im Frieden über dem weiten Land und im sanft schmeichelnden Wind und ist doch der Friede, mit dem auch Christus uns segnet, uns wärmt und frei macht und offen für das Vertrauen zu ihm.

Der Fremde an meinem Tisch und die Lerche über dem Dach, alles, was mein Auge sieht, und die Art, wie meine Augen es sehen - ich spüre, ich bin von Segen umgeben, ob ich es weiß oder nicht. Und ich bitte Gott, dass ich es spüre, wenn ich sage: Gott, segne mich! Ja, Gott segne uns, hier und anderswo. Wir lassen dich nicht, du segnest uns denn. Amen.

(Stark überarbeitet, aus: GPM, 1/9O, Über Segen und Heil und Heilung, S. 25f)

Der priesterliche Segen

Der HERR sagte zu Mose: »Wenn Aaron und seine Söhne den Leuten von Israel den Segen erteilen, sollen sie sprechen:

Der HERR segne euch und behüte euch!
Der HERR blicke euch freundlich an und schenke euch seine Liebe!
Der HERR wende euch sein Angesicht zu und gebe euch Glück und Frieden!

So sollen sie meinen Namen auf die Menschen von Israel legen, denn ich selbst will mein Volk segnen.«

4.Mose 6, 22 - 27


Liebe Gemeinde!

Diese Tage sind voll von Diskussionen um rot-rot, rot-grün-rot; schwarz-gelb, rot-gelb, und jeder ahnt sofort, wovon die Rede ist. Es geht bei dieser Farbenpracht um die kommenden Wahlen in Berlin. Grün steht dabei für die Naturverbundenheit. Ein Gottesdienst im Grünen, da weiß jedes Gemeindeglied sofort: dieser Gottesdienst wird irgendwo, wie heute am Vogtskreuz, in der freien Natur gefeiert: keine Kirche, keine festen Bänke, kein festgefügter Altar, schon gar keine Kanzel. Es ist wie eine kleine Erinnerung an den vergangenen Kirchentag mit den Mitteln der eigenen Gemeinde, dessen Motto ja war: "Du stellst meine Füße auf weiten Raum (Psalm 31,9)."

Wir haben uns zu diesen Gottesdienst auf den Weg gemacht. Nicht wie sonst, nur um ein paar Ecken herum, ein paar Straßenzüge weiter, und schon ist die Kirche für fast alle Gemeindeglieder gut erreichbar im Blick, nein, heute musste ein weiterer Weg überwunden werden, um hierher zu kommen. Ganz bewusst haben wir das so auf uns genommen, denn auf diese Weise wird unser eigenes Motto begreiflich, ja trittfest in unserem Bewusstsein spürbar: "Der Segen geht mit."

Das uns bekannteste Segenswort der Bibel begleitet uns aus fast jedem Gottesdienst in den Sonntag und den kommenden Alltag hinein. Es ist der alte priesterliche Segen. Aaron, der seinem Bruder Mose in dessen Dienst zur Seite steht, soll dem Volk Israel nach dem täglichen Gottesdienst den Segen Gottes mit auf den Weg geben. So breitet er sinnbildlich seine Arme aus und legt mit Israel auch jedem Einzelnen den Segen Gottes auf.

N.N.:

Der HERR sagte zu Mose: »Wenn Aaron und seine Söhne den Leuten von Israel den Segen erteilen, sollen sie sprechen:

Der HERR segne euch und behüte euch!
Der HERR blicke euch freundlich an und schenke euch seine Liebe!
Der HERR wende euch sein Angesicht zu und gebe euch Glück und Frieden!

So sollen sie meinen Namen auf die Menschen von Israel legen, denn ich selbst will mein Volk segnen.«

So geht der Segen aus dem Gottesdienst in das Alltagsleben der Gemeinde hinein. Er hilft uns, Schwellen zu überschreiten. Zunächst gilt Aarons Wort natürlich Israel, dem Volk Gottes. Mitten in der Wüste, heimatlos und unterwegs zu Zielen, die man kaum erahnen kann, fühlt Israel sich als Volk in seiner Existenz in Frage gestellt. Dabei musste jeder um jeden neuen Tag, um Zukunft ringen, und doch durfte man dieses Wort hören. Es ist ein Wort, das weit mehr ist, als ein letztes Wort im Gottesdienst, weil es jedem Einzelnen ganz persönlich zusagt, dass er mit diesem Gott in sein Leben zurückgehen wird, ja dass es dieser Gott ist, der dich segnet und mit seinem Segen begleitet, unabhängig davon, wie das eigene Leben im Moment aussieht.

An Israel sehen wir, dass es gerade in den Tiefen des Lebens gesegnet sein soll. Denn nicht umsonst ist uns die Wüste zu einem umfassenden Bild für alle Entbehrungen und Infragestellungen geworden, die Menschen zu durchleiden haben. Die Wüste ist schlechthin das Bild für Einsamkeit und Tod. Ohne das lebensnotwendige Wasser, den Schatten der Bäume, die vielfältigen Möglichkeiten, sich zu versorgen, muss ein Mensch sterben. Und er wird auch heute auf seine Weise verkümmern, wenn ihn die Wüste mitten in seinem Leben erreicht, wenn das menschliche Glück abhanden gekommen, erträumte Ziele unerreichbar, der Sinn des Lebens verdunkelt scheinen.

Der Segen Gottes, ist also nicht das sichtbare Zeichen des selbst erarbeiteten und verdienten Wohlstandes, sondern er ist das Wort, dass wir mit diesem Gott, der sich uns zusprechen lässt, in unser Leben hinein gehen dürfen, ganz gleich, wie es aussieht. Spüren wir denn nicht hier und da, wie gesegnet unser Leben ist?

Am Freitag haben unsere Kinder unter diesem Motto: "Der Segen geht mit" ihren Kinderbibelnachmittag erlebt. Doch wie zeigt man Kindern, wie erleben wir selbst, dass wir alle wirklich gesegnete Menschen sind, worin kann das sichtbar, ja vielleicht sogar ganz praktisch spürbar werden? Wir haben es einmal an einigen wenigen Berufen deutlich zu machen versucht. Ganz selbstverständlich nehmen wir Ärzte für unsere Gesundheit in Anspruch. Jedes Kind weiß, wenn ich krank bin, wird mir der Arzt schon helfen. So rückte der Johanniter Hilfsdienst an, um unseren Kindern zu zeigen, wie man bei einem Notfall versorgt wird oder helfen kann.

1. Kind: Gott sei Dank, dass es Ärzte und Johanniter gibt.

Auch unsere Polizei kam mit einem tollen Polizeiwagen vor das Gemeindezentrum gefahren, um deutlich zu machen, wir sind da, wenn Ihr uns braucht: bei einem Unfall, einer Bedrohung für das eigene Leben, doch auch, wenn eine Großveranstaltung abgesichert werden muss.

2. Kind: Gott sei Dank, dass es die Polizei für uns gibt.

Sogar unsere Feuerwehr fuhr mit einem großen Löschwagen vor - und jedes Kind begreift - wie wichtig eine Feuerwehr ist, wenn es irgendwo brennt, ein Keller unter Wasser steht und ausgepumpt werden muss oder Menschenleben irgendwie in Gefahr geraten sind. Man kann wirklich nur sagen:

3. Kind: Gott sei Dank, dass es Menschen gibt, die sich in der Feuerwehr engagieren.

Der Segen Gottes wird also ganz praktisch in unserem Lebensalltag deutlich. Allerdings beginnt er im Gottesdienst, dort, wo sich Menschen treffen, um sich von Gott mit seinem Wort und Geist für ihr Leben begleiten zu lassen und die Gemeinschaft zu erfahren, die der Kirche weltweit und weit über die Grenzen der eigenen Gemeinde hinaus möglich sind. Der Segen am Ende eines jeden Gottesdienstes gilt gerade für diesen Übergang vom Gottesdienst in den Alltag hinein. Gott will sich nicht in Kirchen kasernieren lassen und nur für ein paar fromme Ecken im Hintergrund zur Verfügung gehalten werden, sondern er begleitet mit seinem Segen unsere Familien, den Beruf, die Schule, die Freizeit, die Höhen und Tiefen des Lebens.

So wird im biblischen Wort der Segen Gottes in vielfältiger Weise deutlich: in den Kindern, die uns geschenkt sind und die ein Geschenk bleiben, auch in spannungsvollen Situationen im Familienleben; in der Fruchtbarkeit der Felder und dem Gelingen unserer täglichen Arbeit; im Glück der Familien; im Zusammenhalt eines Volkes; in dem Geschenk des Friedens.

Wie selbstverständlich nehmen wir für uns in Anspruch, was gar nicht so selbstverständlich ist, wenn wir uns nur in der Welt umschauen. Dabei gilt, dass alle Menschen gesegnet sind, die aus diesen Worten ihren Gott hören, ganz und gar unabhängig davon, wie gut es ihnen geht, wie gesund sie sind, wie problematisch eine Ehe oder das Familienleben sich gestaltet, ob man eine Arbeit hat oder unter Arbeitslosigkeit leidet, man Konflikte, Unfrieden oder gar Streit erlebt. Ob wir es spüren oder nicht, Gott begleitet das Leben in den Höhen, wie in den Tiefen. SeinSegen geht also weit über das Sichtbare und Greifbare hinaus. Manches können wir Menschen selbst tun, vieles sogar leisten und verdienen, doch anderes bleibt einfach ein Geschenk, oft sogar unverdient.

Empfinden wir denn die Natur, in der wir diesen Gottesdienst heute feiern, nicht als ein Geschenk des Himmels? Dabei bleibt auch die Natur ein Geschenk und darf nicht selbst vergottet werden, wie es philosophische Schulen unter dem Ruf: "Gott ist die Natur!" zum Ausdruck zu bringen versuchten. Weder ist die Natur Gott, noch Gott die Natur. Doch wir verdanken sie Gott als einem Geschenk seiner Schöpfung, in dem wir seinen Segen erfahren dürfen.

"Der Herr segne und behüte euch!" Wenn der Pfarrer am Ende eines Gottesdienstes die Hände erhebt und das Segenswort spricht, so legt er symbolisch einem jeden Menschen die Hand auf. Damit wird ihm selbst und ganz persönlich deutlich gemacht, dass er von Gott aus gesegnet und behütet sein wird. Mit den Worten, dass Gott sein "Angesicht leuchten" und uns "gnädig" zugewandt bleibt, wird die freundliche Zuwendung Gottes verdeutlicht. Er sieht einen jeden von uns und wendet sich nicht ab, wie ein zorniger Gott oder Götze aus dem alten Götterhimmel. Und wir bekommen "seinen Frieden" zugesagt, der weiter reicht, als unser Verstand.

So werden wir aus dem Gottesdienst entlassen. In dieser Weise nehmen wir Abschied und beginnen Neues und Anderes für jeden neuen Tag, einer weiteren Woche im Laufe unseres Lebens. Doch was Aaron und seinen Nachfolgern hier als priesterliches Amt mit auf den Weg gegeben wird, ist von den Christen sofort übernommen worden und verbindet auf seine Weise die jüdische mit der christlichen Gemeinde im Glauben an den gleichen Gott. Der Segen soll nun nicht mehr allein im Gottesdienst und durch die Pfarrer gespendet werden, sondern wir alle sind dazu berufen, zum Segen zu werden, ja ein Segen füreinander in Wort und Tat zu sein.

Ein immer wieder berührendes Beispiel für einen väterlichen Segen am Ende des Lebens finden wir in der großen vierbändigen Josephserzählung von Thomas Mann. Der alte Jakob ruft seine Kinder zu sich, um ihnen seinen Segen für ihren weiteren Lebensweg mitzugeben. Dabei wird Joseph, dem Liebling des Vaters, trotz aller Spannungen und Brüche, allem Schuldigwerden aneinander, doch auch mit seinen Begabungen, seiner Phantasie und Größe, ein ganz besonderes Wort zugesagt. In der Nachdichtung klingt das so:
"`Und so segne ich dich, Gesegneter, aus meines Herzens Kraft in des Ewigen Namen, der dich gab und nahm und gab und mich nun von dir hinwegnimmt. Höher sollen meine Segen gehen, als meiner Väter Segen ging auf mein eigenes Haupt. Sei gesegnet, wie du es bist, mit Segen von oben herab und von der unteren Tiefe ...

Segen, Segen auf Josephs Scheitel, und in deinem Namen sollen sich sonnen, die von dir kommen. Breite Lieder sollen strömen, die deines Lebens Spiel besingen, immer aufs neue, denn ein heilig Spiel war es doch, und du littest und konntest verzeihen. So verzeihe auch ich dir, dass du mich leiden machtest. Und Gott verzeihe uns allen!’

Er endete und zog zögernd die Hand zurück von diesem Haupt. So trennt sich ein Leben vom anderen und muss dahingehen; über ein Kleines aber, so geht auch das andere dahin. Joseph trat unter die Brüder zurück." [1]

Sagen wir Gott Dank, immer wieder neu und immer bewusster, dass wir als Gesegnete unser Leben erleben dürfen. Er segne das, was wir beginnen und das, was wir vollenden. Mit anderen Worten hören wir diesen alten biblischen Segen noch einmal:

N.N.:

Gott segne dich und die Menschen, die mit dir sind.
Gott behüte dich und die, für die du da bist.
Gott lass sein Angesicht leuchten über dir und lass dich nicht aus den Augen.
Gott sei dir gnädig und lass dich nicht mutlos werden.
Gott erhebe sein Angesicht auf dich und begleite dich in die Zukunft.
Gott schenke dir seinen Frieden, dir, und dieser Welt. Amen.


Literatur:

  1. Mann, Th., Joseph der Ernährer, Bermann - Fischer Verlag, Stockholm, 1943, S. 620f

    außerdem:

    Gräter, G., Deutsches Pfarrerblatt, Heft 5/2001 zum Sonntag Trinitatis
    Westermann, C., Der Segen in der Bibel und im Handeln der Kirche, München 1968

    Voigt, M., Calwer Predigthilfen, 200/2001, Reihe V/2, Stuttgart 2001, S. 36f

Letzte Änderung: 29.06.2001
Pfr. Hanns-Heinrich Schneider