Sylvester 2006, Jahreslosung für 2007

 

 

Begrüßung:

 

Liebe Gemeinde! Mit diesem Gottesdienst stehen wir an einer Schwelle, denn viele von uns werden zurückschauen auf das, was war: Da gab es gute Begegnungen und Erfahrungen, vielleicht konnte manches erreicht werden. Aber es gab für viele in unserer Mitte sicher auch die anderen Erfahrungen: Krankheiten, den Abschied von einem vertrauten Menschen, zerbrochene Beziehungen, die Resignation oder das Scheitern an einer Aufgabe. Wie sehen wir zurück, auf das, was war, wie sehen wir unsere Zukunft? Mit der Jahreslosung für das neue Jahr werden wir an unser Sehen erinnert, daran, wie wir Vergangenes oder Künftiges auch durch die Perspektive unseres Glaubens sehen wollen. Jesaja sagt:

           

Gott spricht: Siehe, ich will ein Neues Schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr´s denn nicht?

 

 

 

Gebet:

 

Vor dich, unseren Gott, bringen wir in dieser Stunde alles, was uns an Freude und Leid, an Gelingen und Versagen, an Hoffnungen, aber auch an Angst bewegt. Wieder ist ein Jahr unseres Lebens vergangen, wir stehen an der Schwelle zu einem neuen Jahr, darum bitten wir dich um eine Sicht auf unser Leben, die uns Mut schenkt und Vertrauen in die Zukunft. Lass aufgearbeitet, vergessen und vergeben sein, was uns an Schuld begleitete und schenke es uns, dass wir aus unseren Erfahrungen lernen. So gehe nun mit uns allen in ein neues Jahr unseres Lebens.

           

Wir danken dir gerade heute für alle Menschen unter uns, die uns mit ihrem Glauben ein Vorbild sind und die sich in unserer Gemeinde und Kirche mit ihrem Engagement einbringen. Vor dir bringen wir nun auch voller Dankbarkeit alle Menschen in Erinnerung, die uns den Weg zu dir vorangegangen sind – und beten für uns, unsere Gemeinde, für unsere katholischen Mitchristen, unsere kleine Stadt und für die ganze Welt. Amen.

 

Gott spricht:

Siehe, ich will ein Neues Schaffen,

jetzt wächst es auf, erkennt ihr´s denn nicht?

Jes. 43, 19a

 

 

Liebe Gemeinde!

 

Sylvester!? Wohl kaum ein Abend im Jahr verleitet uns so sehr dazu, Bilanz zu ziehen, wie der Sylvesterabend. Die Weihnachtstage liegen hinter uns, das neue Jahr wird kommen. Da fragt sich der eine oder andere von uns ganz unwillkürlich nach dem, was das vergangene Jahr mit sich brachte. Was gab es da an Höhen und Tiefen, an Glück, Freude oder aber auch an Leid zu ertragen, was konnte als Erfolg verbucht, was musste als ein Misserfolg abgeschrieben werden? Wir schauen auf ein ganzes Jahr unseres Lebens zurück, doch was sehen wir, was wird uns in unseren Erinnerungen haften bleiben, sich einprägen und wo ist es hilfreich, ganz schnell zu vergessen? Dabei ist uns oft gar nicht bewusst, wie wichtig unsere Sichtweisen dabei sind.

 

Wir alle wissen, dass eine gewisse Dynamik zu einem erfüllten Leben dazu gehört. Wäre es anders, wäre das Leben eintönig und langweilig, es könnte uns reichen, die Zeit einfach totzuschlagen. Darum ist es sinnvoll, Erfahrungen richtig zu sehen, sie in die größeren Zusammenhänge unseres Lebens einordnen und bewerten zu lernen. So kann dann die nachgedachte Vergangenheit in all ihren Spannungen und Brüchen eine große Rolle für eine überlegte Zukunft spielen. Erst so werden wir wirklich erfahrene Menschen. In einer kleinen Geschichte wird der Versuch gemacht zu erklären, warum die Sichtweise des Menschen auf sein Leben so entscheidend ist. Dort wird erzählt:

 

„Es war einmal ein kleines Dorf in der Wüste. Alle Einwohner dieses Dorfes waren blind. Eines Tages kam dort ein großer König mit seinem Heer vorbei. Er ritt auf einem gewaltigen Elefanten. Die Blinden hatten viel von Elefanten erzählen hören und wurden von einer heftigen Lust befallen, heranzutreten und den Elefanten des Königs berühren zu dürfen und ihn zu untersuchen, um eine Vorstellung davon zu bekommen, was das für ein Ding sei.

 

Einige von ihnen – vielleicht waren es die Gemeindeältesten – traten vor und verneigten sich vor dem König und baten ihn um die Erlaubnis, seinen Elefanten berühren zu dürfen. Der eine packte ihn beim Rüssel, der andere am Fuß, ein dritter an der Seite, einer reckte sich hoch auf und packte das Ohr, und ein anderer wieder durfte einen Ritt auf dem Rücken des Elefanten tun. Entzückt kehrten alle ins Dorf zurück, und die Blinden umringten sie und fragten eifrig, was denn das ungeheuerliche Tier Elefant für ein Wesen sei.

 

Der erste sagte: „Er ist ein großer Schlauch, der sich hebt und senkt, und es ist ein Jammer um den, den er zu packen kriegt.“ Der zweite sagte: „Er ist eine mit Haut und Haaren bekleidete Säule.“ Der dritte sagte: „Es ist wie eine Festungsmauer und hat auch Haut und Haare.“ Der, der ihn am Ohr gepackt hatte, sagte: „Es ist keineswegs eine Mauer, es ist ein dicker Teppich, der sich bewegt, wenn man ihn anfasst.“ Und der letzte sagte: „Was redet ihr für einen Unsinn? Es ist ein gewaltiger Berg, der sich bewegt.“ [1]

Jeder Mensch hat seine Sicht der Dinge, der Welt. Dabei hängt unser Sehen davon ab, wie wir die Dinge sehen, sehen wollen, aber auch sehen können? Wer innerlich blind ist, die Augen verschließt, kann Menschen und Situationen nicht richtig wahrnehmen, Erfahrungen werden nicht genutzt, die Erkenntnis bleibt reduziert. Was wir sehen sind dann nur noch so etwas wie Bruchstücke unseres Lebens, denen aber die Zusammenhänge fehlen und damit das, was unserer Zukunft eine Perspektive geben kann. Letztendlich ist es also ein armes Leben, weil es eher passiv gelebt und erlebt, als das es aktiv gestaltet würde. Der Jahreslosung 2007 geht es um dieses Sehen, wenn es dort heißt:

 

Gott spricht:

Siehe, ich will ein Neues Schaffen,

jetzt wächst es auf, erkennt ihr´s denn nicht?

 

Jesaja wird hier zu einem Zeugen für Gottes Hinwendung zur Zukunft, er lässt sich von nichts und niemandem fesseln und binden, er bleibt auch auf die Vergangenheit nicht festgelegt, sondern offen für Neues, eben so, wie Israel es erleben wird. Aber: Um Neues zu erleben, muss man Altes verlassen! Da darf man nicht wie gefesselt zurück schauen, am Vergangenen hängen. Dabei soll Israel natürlich aus seiner Geschichte lernen, wie wir aus unserer Lebensgeschichte, nur so ist der Blick zurück gerechtfertigt, ja eine Hilfe für die Zukunft. Aber das kostet immer wieder Kraft und Mut, denn wer möchte schon gerne lieb gewonnene Gewohnheiten aufgeben, das, was man doch immer hatte und gewohnt war?

 

Mit der Jahreslosung will Gott auch uns neuen Mut zur Zukunft schaffen, uns auf das, was kommen wird hinwenden und einstellen. Niemand von uns kennt seine Zukunft und jeder von uns geht mit seinen ganz persönlichen Wünschen, Hoffnungen, Sorgen und Ängsten, vielleicht auch mit der einen oder anderen offenen Frage an sie heran. Und darum sollen wir offen sein für das Neue, für das, was in uns und um uns herum reift und wächst. Damit das geschehen kann, muss Gott seinen Platz in unserem Leben haben, denn er will ja Neues in uns und sicher auch durch uns schaffen.

 

Auf unser Sehen kommt es also an. Wir sagen ja: „Ich bin ganz Auge und Ohr“, ein Satz, der deutlich macht, dass jemand bereit ist, aufmerksam zuzuhören und den anderen - mit dem was er sagt und tut - wahrzunehmen. Da fasst man „ein Ziel ins Auge und verfolgt es, bis das Angestrebte erreicht ist.“ „Man behält etwas im Auge“ oder steht sich „Auge in Auge gegenüber“, was gut oder gefährlich für die Menschen werden kann. Man „wirft sich einen Blick zu“, was auf Vieldeutigkeit hinweist oder für die Liebe zu einem anderen, so, wie wir uns „mit den Augen verschlingen“ können. Wir „werfen“ unseren Blick auf etwas, was wir haben wollen. Dabei können wir dann „unsere Augen überall haben“, - dem „Auge des Gesetzes“ lieber ausweichen, - hier und da einem „blinden Eifer“ verfallen oder „offenen Auges ins Unglück rennen.“

 

Bei Unfällen sind die Augenzeugen unersetzlich, damit Recht gesprochen werden kann. [2] Man könnte mit den Wortbildern um das „Auge“ herum fortfahren, aber wir spüren wohl alle, wie bedeutsam dieses Organ für den Menschen ist. Ja, es gehört sogar zu den Organen, die Gott selbst zugeschrieben werden, wenn wir darum bitten, dass Gott uns und unser Leben sieht, so dass er uns in unserer Existenz zur Seite stehen und begleiten kann. „Man sieht nur mit dem Herzen gut!“ [3], lässt A. Saint-Exypéry den Fuchs in seinen Geschichten vom `Kleinen Prinzen´ sagen.

Damit wird deutlich, dass es eben auch ein ganz anderes Sehen gibt, was den Menschen für den Mitmenschen öffnet und noch einmal ganz andere Zugänge zu einem erfüllten Leben schafft.

 

Siehe...“, so hört Israel seinen Gott durch den Propheten Jesaja, „erkennt ihr´s denn nicht?“ Doch: Wer etwas erkennen will, muss zuvor hingesehen haben, der muss das Gesehene so verarbeiten, dass er weiß, worum es geht und einordnen kann in seine Erfahrungen von seiner Welt und Umwelt. Nur auf diese Weise, kann dann auch Neues im Leben wachsen, reifen und bewusst und offen in die Zukunft hinein gelebt werden. Jesaja spricht in eine dunkle Stunde Israels hinein, doch gerade so wird dieses Wort zu einem das Mut macht, das die Aufmerksamkeit in die Zukunft richtet – und vor allem, das mit Gott rechnet, dem Gott, der keinen von uns auf Vergangenes festlegt. Zunächst einmal spricht Gott ja von sich, wenn er sagt: „Ich will...!“

 

Es ist ein Wort, das uns in all unseren Plänen und Vorhaben, so weit wir sie überhaupt in der Hand haben, entlastet. Denn gerade das Neue, das ganz Andere dürfen wir uns zutrauen, weil wir unseren Gott auch im neuen Jahr an unserer Seite wissen. Darum können nun auch wir „sehenden Auges“ in unsere Zukunft, in ein neues Jahr unseres Lebens hineingehen, so offen, ja vielleicht sogar fraglich es uns heute Abend scheinen mag, denn was für Israel – damals – galt, das gilt nun auch für uns:

 

Von guten Mächten wunderbar geborgen,

erwarten wir getrost, was kommen mag.

Gott ist bei uns am Abend und am Morgen

und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Amen.

 

 

 

Literatur:

 

1) Berg, S., Biblische Bilder und Symbole erfahren, München, 1996, S. 44

2) Früchtel, U., Mit der Bibel Symbole entdecken, Göttingen, 1991, S. 187

3) Saint-Exypéry, A., Der kleine Prinz, Düsseldorf, 19932, S.98

 

Weber, K., Deutsches Pfarrerblatt 11/2006, S. 591

Koppe, R., Zur Jahreslosung 2007, in: http://www.ekd.de/

 

 

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