Drittletzter Sonntag im Kirchenjahr, Lukas 6, 12-13 + Apostelgeschichte 6,1-6,

Kirchenwahlen in Baden

 

 

 

Begrüßung:

 

Liebe Gemeinde! In unserer Landeskirche finden heute die Kirchenwahlen statt, so auch in unserer Gemeinde. Im Zuge einer allgemeinen Wahlmüdigkeit sollten wir mit unserer Wahl deutlich machen, dass uns unsere Kirche und Gemeinde wichtig und unsere Stimme wert ist. Menschen stellen sich für ein sehr verantwortungsvolles Amt in der Kirche zur Verfügung, das ist überaus dankenswert und es spricht für unsere Gemeinde, dass es keine Probleme bei der Kandidatensuche gab. Schon in der Bibel werden Menschen in unterschiedliche Aufgabenbereiche hinein gewählt, zu Ältesten, Aposteln oder Diakonen. Lassen wir uns darum auch zu den Ältestenwahlen in unserer Mitte herzlich einladen.

 

Alles, was ihr tut und was ihr sagt, soll zu erkennen geben, dass ihr Jesus, dem Herrn, gehört. Euer ganzes Leben soll ein einziger Dank sein, den ihr Gott, dem Vater, durch Jesus Christus darbringt (Kol 3,17)

 

 

 

Gebet:

 

Nein, guter Gott! Die Kirche ist nun wirklich noch nicht das Paradies und auch in unserer Gemeinde leuchtet nur hier und da ein wenig davon auf – aber wie sähe diese Welt wohl aus, wenn es unsere Kirchen nicht gäbe? Wir selbst, ein jeder von uns ist die Kirche, der getauft ist und so trägt auch ein jeder von uns die Verantwortung für das Bild, das andere sich von unserer Kirche und Gemeinde machen. Herr, schenke uns immer wieder, gerade aber an den Kreuzungen unseres Daseins als Kirche in der Welt, Perspektiven einer tragfähigen Hoffnung und eine Glaubwürdigkeit, die auch für unsere Mitmenschen einladend wirkt. Wir allein schaffen das nicht, so kommen wir zu dir und bitten dich um deinen guten Geist. Amen.

 

 

Wir hören heute zwei Texte, in denen es darum geht, dass Menschen gewählt werden, um eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen:

 

 

Im Lukasevangelium heißt es im 6. Kapitel:

 

Damals geschah folgendes: Jesus ging auf einen Berg, um zu beten. Die ganze Nacht hindurch sprach er im Gebet mit Gott. Als es Tag wurde, rief er seine Jünger zu sich und wählte aus ihnen zwölf aus, die er auch Apostel nannte (Lukas 6,12-13).

 

 

Und in der Apostelgeschichte wird uns berichtet:

 

 

Die Gemeinde wuchs, und die Zahl der Jünger und Jüngerinnen wurde immer größer. Da kam es - um eben diese Zeit - zu einem Streit zwischen den griechisch sprechenden Juden in der Gemeinde und denen mit hebräischer Muttersprache. Die griechische Gruppe beschwerte sich darüber, dass ihre Witwen bei der täglichen Verteilung von Lebensmitteln benachteiligt würden. Da riefen die Zwölf die ganze Gemeinde zusammen und sagten: »Es geht nicht an, dass wir die Verkündigung der Botschaft Gottes vernachlässigen und uns um die Verteilung der Lebensmittel kümmern. Darum, liebe Brüder, wählt aus eurer Mitte sieben Männer aus, die einen guten Ruf haben und vom Geist Gottes und von Weisheit erfüllt sind. Ihnen wollen wir diese Aufgabe übertragen. Wir selbst werden uns auch weiterhin mit ganzer Kraft dem Gebet und der Verkündigung der Botschaft Gottes widmen.« Alle waren mit dem Vorschlag einverstanden. Sie wählten Stephanus, einen Mann voll lebendigen Glaubens und erfüllt vom Heiligen Geist; außerdem Philippus, Prochorus, Nikanor, Timon, Parmenas und Nikolaus, einen Nichtjuden aus der Stadt Antiochia, der zum Judentum übergetreten war. Diese sieben brachten sie zu den Aposteln. Die beteten für sie und legten ihnen die Hände auf.

 

 

 

Liebe Gemeinde!

 

Wahlen! Kirchenwahlen in Baden und damit auch in unserer Kirchengemeinde mit ihren drei Teilorten Kenzingen, Bombach und Hecklingen. Neun Gemeindeglieder haben sich bereit erklärt, für dieses Amt zu kandidieren und damit eine ehrenamtliche Leitungsaufgabe in unserer Gemeinde zu übernehmen. Ihnen allen einen ganz herzlichen Dank! Manchmal konnten wir hören, wie schwer es gewesen sei, Kandidatinnen und Kandidaten zu finden, wir hatten da kein Problem. In manchen Gemeinden heißt der Ältestenkreis nicht nur so, sondern er besteht auch aus einer Überzahl älterer Gemeindeglieder. Natürlich: Auch sie sind wichtig, gerade sie brauchen wir, um auch die ältere Generation einzubinden. Doch ich finde es bezeichnend für unsere Gemeinde, dass wir überwiegend jüngere Bewerber und Bewerberinnen gefunden haben, so dass der Altersdurchschnitt bei 42 Jahren liegt. Ganz sicher wird aber auch der neue Kirchengemeinderat alle Generationen in den Blick nehmen.

 

Vor einiger Zeit hörten wir hier im Gottesdienst, dass Mose sich vierzig Älteste aus dem Volk Israel wählte, die mit ihm zusammen das Volk leiten und begleiten sollten. Jesus, wir haben es gehört, wählte sich aus seiner Jüngerschar zwölf Männer heraus, die er „Apostel“ nannte. Das zeigt uns, dass es im Umfeld Jesu einen weit größeren Jüngerkreis gab, zu dem ganz sicher mehr Frauen als Männer gehörten, so dass dann in der jungen Kirche überhaupt die Frauen bereits Leitungsfunktionen inne hatten.

 

Unsere Landeskirche schreibt zu den Kirchenwahlen: „Das Ältestenamt ist ein wichtiges Amt in der Kirche. Es kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Die Bibel spricht an mehreren Stellen von Ältesten. Im vierten Buch Mose des Alten Testaments steht, dass Mose aus dem israelitischen Volk Männer aussuchte, die ihn in seinem Amt entlasten sollten. In den so genannten Pastoralbriefen, den Schreiben an Timotheus und Titus, ist „Presbyter“ ein feststehender Titel für das gemeindeleitende Amt: (1. Timotheus 5, 17.19)... In den Zeiten der großen Christenverfolgung wurden die verschiedenen Dienste in der Gemeinde zunehmend in einem einzigen Amt zusammengefasst, dem geweihten Priesteramt. Während die Ältesten immer Mitglied eines Kollegiums waren, amtierten die Priester allein.

 

Erst die Reformation entdeckte Recht und Verantwortung der Gemeinde und damit auch das Ältestenamt wieder und entwickelte die Lehre vom allgemeinen Priestertum aller Gläubigen. Im Jahre 1523 schrieb Martin Luther, `dass eine christliche Versammlung oder Gemeinde (das) Recht und (die) Macht habe, (über) alle Lehre zu urteilen und Lehrer zu berufen, ein- und abzusetzen.´“ 1) Wahlen. Irgendwie hat das heute einen Beigeschmack. Wöchentlich werden wir darüber informiert, welche Partei im Deutschen Bundestag gerade eine Mehrheit hat oder welcher Politiker auf der politischen Werteskala von eins bis zehn wo steht? Jede Partei und jeder Politiker sehen zu, dass sie Stimmen sammeln, auch ohne dass sie im Wahlkampf wären. In Wahlkampfzeiten werden die je eigenen Erfolge besonders hervorgehoben, während die des politischen Gegners so weit als möglich in Frage gestellt werden. Das gehört zum Stilmittel einer politischen Wahl, wir kennen das alle.

 

Wahlen! Wahlen in der Kirche geschehen von alters her ohne Wahlkämpfe. Mose wählt sich Älteste aus dem Volk, Jesus seine Apostel aus dem großen Kreis seiner Anhänger und auch die Apostel wählen sich geeignete Mitarbeiter aus der ganzen Gemeinde heraus. Davon, dass jemand für sich persönlich Reklame gemacht hat, um sich damit über einen anderen Mitchristen zu stellen, ist nirgendwo die Rede. Allerdings kam es auch schon in der jungen Gemeinde vor, dass man sich gern mit seinen scheinbar frommen Leistungen hervortun wollte (s. ApG. 5, 1-10). Dabei ging es jedoch nicht darum, in ein Amt der Gemeinde gewählt zu werden, sondern sein Ansehen vor den Aposteln und den Mitchristen zu erhöhen. Wobei es in der Kirche nicht um ein „Oben“ oder „Unten“ geht, sondern um einen Dienst in der und für die Gemeinde.

 

So heißt es in dem berühmten Widerstandswort der Bekennenden Kirche von 1934, der „Barmer Theologischen Erklärung“: „Die verschiedenen Ämter in der Kirche begründen keine Herrschaft der einen über die anderen, sondern die Ausübung des der ganzen Gemeinde anvertrauten und befohlenen Dienstes.“ Und dann folgt, wie bei allen sechs Thesen der Erklärung eine Verwerfung: „Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und dürfe sich die Kirche abseits von diesem Dienst besondere, mit Herrschaftsbefugnissen ausgestattete Führer geben oder geben lassen...“ 2) Dieses Bekenntnis gehört zu den Bekenntnisgrundlagen unserer Landeskirche, auf die auch unsere Kirchengemeinderäte verpflichtet werden. Stadt- und Kirchengeschichtlich bedeutsam ist, dass mit Friedrich Dittes ein Gemeindeglied unserer Gemeinde an diesem Bekenntnis beteiligt war. Während also ein Kirchengemeinderat für die Bekennende Kirche in Baden ein Wort gegen die Deutschen Christen mit erarbeitete und verantwortete, unterzeichnete der eigene Pfarrer seine Briefe mit einem unsäglichen „Heil Hitler.“

 

Jeder Kirchengemeinderat und jede Kirchengemeinderätin übt diesen Dienst immer stellvertretend auch für andere in der Gemeinde aus, denn jeder in der Kirche ist immer mitverantwortlich dafür, was aus seiner Kirche und Gemeinde wird und wie andere sie erfahren dürfen. Begründet ist das durch die Taufe, die einen jeden von uns in den Dienst einer glaubwürdigen Nachfolge und dem damit verbundenen Wirken in Kirche und Gemeinde ruft. Da gibt es keine Delegation, kein Abschieben von Aufgaben an andere, aber es gibt eben mit einem kirchlichen Amt auch keine Herrschaft über die Mitchristen, denn ein jeder von uns ist für das Bild seiner Kirche mitverantwortlich. Wir sind immer Kirche in der Welt und noch nicht im Paradies.

 

Nein, einen Wahlkampf im eigentlichen Sinn gab es in unserer Gemeinde nicht, aber durchaus Gruppen- und Generationsinteressen. Keine Gruppe sollte zu viele Kandidatinnen und Kandidaten stellen und dabei doch alle Generationen der Gemeinde und die Ortsteile im neuen Kirchengemeinderat vertreten sein. Ein berechtigtes Anliegen. Doch wir sehen, dass mit unseren Kandidatinnen und Kandidaten ein breites Spektrum unserer Gemeinde vertreten ist, so dass ich denke, dass alle Bereiche und künftigen Aufgaben der Gemeinde bei ihnen in guten Händen liegen. Auf diese Weise wird auch die verdienstvolle Arbeit des bisherigen Kirchengemeinderates, wenngleich, wie ich vermute, mit Akzentverschiebungen, fortgesetzt.

 

Aber es wird dennoch etwas anders werden. Es geht nicht darum, dass der Kirchengemeinderat jünger wird, sondern dass sich die Arbeit selbst spürbar verändert. In den vergangenen Jahren waren wir in unserer Gemeinde situationsbedingt sehr mit den Renovierungen von Gemeindehaus, Kindergarten und Pfarrhaus belastet. Immer wieder musste über den Haushalt und die Gemeindefinanzen beraten werden. Nun sind wir so weit, dass keine Renovierungen in absehbarer Zeit mehr bevorstehen und ein ausgeglichener Haushalt vorliegt. Gerade auch der Bereich der Kinder- und Jugendarbeit konnte weiter ausgebaut, verschiedene neue Akzente im Leben unserer Gemeinde gesetzt werden, wenn ich an den Kooperationsvertrag mit St. Laurentius, das Kinderchorprojekt oder die Bilderausstellungen denke.

 

Gerade ein Wahlsonntag lässt uns spüren, dass es weiter geht und so hoffe ich, dass es eine gute Wahlbeteiligung in unserer Gemeinde, unserer Kirche gibt. Eine gute Wahlbeteiligung zeigt ja auch das Interesse an dem, was in unserer Gemeinde und Kirche geschieht. Es ist uns also nicht gleichgültig, wie die Zukunft angegangen und gestaltet wird. Darum bitte ich Sie, Ihre Familie, Nachbarn und Freunde anzusprechen, damit heute von dem eigenen Wahlrecht nun auch Gebrauch gemacht wird. Unsere Kandidatinnen und Kandidaten müssen spüren, dass sie ein Mandat für ihre Arbeit im Kirchengemeinderat bekommen, ja, dass sie in ihrem Dienst von vielen Gemeindegliedern mitgetragen werden. Aber wie geht es weiter?

 

Jede Wahl bringt es mit sich, auch die Kirchenwahl jetzt in unserer Gemeinde, dass wir uns an einer Schnittstelle auf dem Weg in die Zukunft befinden. Wir sind in einer Zeit des Umbruchs, den wir auch in unserer Kirche spüren und der Auswirkungen bis in die Gemeinde hinein hat. „Wir orientieren uns“, wie es Kardinal Karl Lehmann im Blick auf „Die Kirche in einer Zeit des Übergangs“ einmal sagte „oft viel lieber träumerisch und nostalgisch an dem, was war oder angeblich war, oder utopisch an einer Vision, die kaum einen Anhaltspunkt in der gegenwärtigen Wirklichkeit hat, aber gerade deswegen so anregend wirken kann, auch wenn sie sich vielleicht als Täuschung erweisen sollte...“ 3)

 

Zu den Aufgaben des neuen Kirchengemeinderates wird es gehören, in einem offenen, vertrauensvollen Diskurs anzudenken, was sich bewährt hat, das alles zu stützen und zu fördern. Darüber hinaus sind – so weit sinnvoll, notwendung und begründet - neue Aufgaben aufzugreifen, eventuell aber auch Strukturen zu bedenken, die über unsere Gemeinde hinaus gehen und Nachbargemeinden mit einbeziehen. Wir haben als Gemeinde in unserer Kirche immer auch an die Zukunft der Kirche zu denken und damit an das, was sie auch künftig noch leisten oder eben auch nicht mehr leisten kann. Das fordert von uns ein Grenzen sprengendes Denken, das sich am Evangelium orientiert und im persönlichen Glauben begründet. Wir alle spüren es vielleicht: Hier geht es um unsere Gemeinde als Teil einer Kirche, die sich nicht scheut, die Zukunft im Blick zu haben.

 

Bei der Einführung des neuen Kirchengemeinderates am 1. Advent werden auch wir, wie wir es aus der jungen Kirche hörten, für diesen beten und ihnen die Hände auflegen. So werden dann auch sie gesegnet in ihren Dienst in unserer Gemeinde hineingehen. Verantwortlich für das Leben in ihr bleiben wir aber alle. Amen.

 


 

 

 

 

Literatur:

 

1) In: http://www.ekiba.de/index.htm

2) Barth, K., Texte zur Barmer Theologischen Erklärung, Zürich, 1984, S. 4

3) Lehmann, K., Zuversicht aus dem Glauben, Freiburg, 2006, S. 519

 

 

Wir weisen darauf hin, dass Sie alle unsere Predigten im Internet nachlesen können. Sie finden sie unter:

 

http://www.evang-kirche-kenzingen.de oder:

http://www.predigten.de/ (Powersearch anklicken, Text oder Name eingeben)