16. Sonntag nach Trinitatis, Gottesdienst zum Jubiläum der Goldenen-, Diamantenen- und Eisernen Konfirmation 2007, Psalm 85 in einer Übertragung

 

 

 

Begrüßung:

 

Liebe Gemeinde! Was wären wir ohne unsere Erinnerungen, ohne diese denkwürdigen Tage im Leben, die uns einmal innehalten lassen, um darüber nachzudenken, was war, was ist und was vielleicht die Zukunft bringen wird. Erst wo wir das Leben bedenken, wird es ja nicht beliebig oder gar gleichgültig gelebt und so ist es gut, dass wir heute dieses Konfirmationsjubliäum in unserer Gemeinde feiern dürfen. Wir heißen Sie, unsere Jubilare, aufs Herzlichste in unserer Mitte Willkommen und wünschen Ihnen einen wirklich denkwürdigen Tag.

 

Ich horche auf das, was Gott, der Herr, sagt: Er spricht von Frieden für sein Volk (Psalm 85)

 

 

 

Gebet:

 

Herr, guter Gott! Da sind wir nun an diesem denkwürdigen Tag unseres Konfirmationsjubiläums. Erinnerungen werden wach an ein reiches und erfülltes Leben, an Höhen und Tiefen, an Freude und Leid. Reich sind wir geworden an Erfahrungen, was aber wurde auf unserem Lebensweg aus unserem Glauben, aus unserem Vertrauen und unserer Treue zu dir? So schenke uns heute den Mut und die Freude unser Bekenntnis zu dir zu erneuern, damit unser Glaube lebt und erfahrbar wird, allen, mit denen wir unser Leben teilen. Amen.

 

 

Eine Übertragung von Psalm 85

 

 

Könnte ich doch hören,

was du, Gott, redest.

Könnte ich mich doch erinnern,

an strahlende Gesichter.

Hätte ich doch Bilder

von erfülltem Leben.

 

Gott, du selbst bist mir begegnet,

und ich habe dich übersehen.

Gott, du bist mir nahe,

doch mein Herz ist verschlossen.

Zu oft weise ich Menschen zurück,

die es gut mit mir meinen.

 

Gott, ich weiß, du bist gnädig,

befreist uns Menschen von allerlei Fesseln,

rechnest Schuld nicht an

und eröffnest Wege,

die uns einander näher bringen.

Gott, wenn du willst, so leben wir.

 

Könnte ich doch hören,

was du, Gott, redest,

so wollte ich gerne deinem Wort folgen.

 

 

Törner, G., Beim Wort genommen, Gütersloh, 2002, S. 239

 

 

 

Liebe Jubilare der Goldenen-, Diamantenen- und der Eisernen Konfirmation,

liebe Gemeinde!

 

Das Konfirmationsjubiläum ist immer ein Fest, ein Anlass und Grund zur Freude, zur Dankbarkeit. Da sind wir 50 – 60 oder sogar 70 Jahre nach der Konfirmation wieder in der Kirche und erinnern uns mit einem Festgottesdienst an den denkwürdigen Tag unserer Konfirmation. Andere von uns haben dieses Jubiläum noch vor sich und unsere Konfirmandinnen und Konfirmanden sind erst einmal gespannt darauf, wie sie überhaupt den Konfirmandenunterricht erleben werden, der heute ja so völlig anders ist als bei Ihnen, den Jubilaren, vor langer Zeit.

 

Rechnet man die Jahre zurück, so sind Sie alle vor, im oder gegen Ende des unseligen Krieges geboren. Sie haben in ihren je unterschiedlichen Generationen Zeiten erlebt, die wir uns heute gar nicht mehr vorstellen können und niemandem wünschen würden. Aber ganz sicher war der Tag der Konfirmation ein großes Erlebnis für Sie, wenn auch der Rahmen vielleicht klein war und der politische Himmel noch sehr verdunkelt. Sehr bewusst haben Sie alle die Nachkriegszeit erlebt, die Zeit großer Erwartungen und Hoffnungen, aber wohl auch dem unbestimmten Gefühl, mehr verloren zu haben als den Krieg.

 

„Unsere Erinnerungen sind ein Teil von uns“, so wurde es einmal gesagt: „Doch gerade das Erinnern unserer individuellen Lebensgeschichte macht uns bewusst, wie fragwürdig unsere Erinnerungen sind. Die Psychologie stellt fest, was wir auch selbst wissen: Wir erinnern Vorgänge nicht objektiv, sondern so, wie wir sie erlebt haben; und noch weiter: wie wir sie interpretieren. `Die Farbe der Erinnerung trügt´ (Christa Wolf). Wir erinnern nicht die reinen Fakten; sondern wie die Erlebnisse der Vergangenheit schon damals durch manche Gefühle umwoben waren, so haben sie auch danach in uns weitergewirkt... Durch Erinnern haben wir aber nicht nur die Chance zum Annehmen und Loslassen von Schmerzlichem oder Versäumten, sondern auch die Chance zur Freude über Geschenktes, zur Dankbarkeit für gelebtes Leben. Das Erinnern wird dabei etwas Sinnstiftendes, etwas, das, verwandelt im Vertrauen, produktiv in die Zukunft hinein wirkt...“ 1)

 

Woran erinnern wir uns heute am Tag dieses Konfirmationsjubiläums? Was war uns wichtig? Gibt es da einen Gedanken z.B. aus der Predigt, an den Sie sich erinnern können, einen Vorgang bei der Konfirmation, der unvergessen ist? Die Mädchen trugen schwarz – damals - , die Jungen dunkle Anzüge. Darüber musste kaum nachgedacht werden. Erinnern Sie sich an die Mitkonfirmandinnen und Mitkonfirmanden, an Ihre Gäste, von denen die meisten ja gar nicht mehr leben? Und schließlich: Worin hat Sie Ihr Konfirmandenunterricht, Ihre Konfirmation bestärkt, was wurde aus Ihrem „Ja“ zu Glaube und Kirche auf dem langen Weg durchs Leben?

 

Dieser Gottesdienst schenkt ihnen und uns allen die Möglichkeit der Erinnerung und die Chance, das eine oder andere, was versäumt wurde nachzuholen, es zu ändern, ja, noch einmal neu anzufangen, vielleicht sogar mit dem Glauben über den Sie und wir alle im Konfirmandenunterricht so viel hörten und lernten. Eben wurde der 85. Psalm verlesen.

 

 

Er ist ein uraltes hymnisches Bekenntnis Israels im Rückblick auf die großen Taten Gottes. Vermutlich entstand dieses Gebet nicht sehr lange nach der Heimkehr aus der babylonischen Gefangenschaft. Man erinnert sich gut an dieses Leben in der Gefangenschaft, der Unfreiheit und der scheinbaren Gottesferne. Wie sollte Gott da sein können, wenn er doch seinen Tempel in Jerusalem hatte und der war zerstört. Doch nun, endlich heimgekehrt, konnte man sich erinnern, der dunklen Tage, der Schuld, die zum Untergang Israels beitrug. Das alles ist vorbei, aber es ist nicht vergessen. Und Gott traut man zu, auch all das noch in Ordnung zu bringen, was im Argen liegt, fragwürdig ist, wie ein Schatten aus dunkler Vergangenheit auf den Menschen lastet.

 

Und mitten in dem gemeinsamen Gebet, vielleicht auch einem miteinander gesungenen Lied steht jemand auf und sagt den Anderen: „Ich horche auf das, was Gott, der Herr, sagt: Er spricht von Frieden für sein Volk, für alle, die zu ihm gehören;... Ja, seine Hilfe ist all denen nahe, die ihn ehren und ihm gehorchen; bald wohnt seine Herrlichkeit wieder in unserem Land. Dann kommen Güte und Treue zusammen, Recht und Frieden küssen einander. Die Treue sprießt aus der Erde hervor, und das Recht blickt vom Himmel herab...“

 

Das muss man einfach noch einmal hören: „Dann kommen Güte und Treue zusammen, Recht und Frieden küssen einander. Die Treue sprießt aus der Erde hervor, und das Recht blickt vom Himmel herab...“ Dann, ja, dieses „dann“ entscheidet darüber, ob Recht und Frieden sich küssen, Treue aus der Erde hervor sprießt und das Recht von Himmel herabschaut. Ein großartiges Bild, eine phantastische Vision. Himmel und Erde begegnen sich, sie begegnen sich dort, wo Gott geehrt wird und seine Herrlichkeit in unserem Glauben, in unserem Vertrauen, in unserer Treue ein Zuhause hat. Wie heißt es doch in der eben gehörten modernen Übertragung unseres Psalmwortes in die Sprache unserer Zeit:

 

Könnte ich doch hören,

was du, Gott, redest.

Könnte ich mich doch erinnern,

an strahlende Gesichter.

Hätte ich doch Bilder

von erfülltem Leben...

 

Es klingt, wie wir es nur allzu oft in uns fühlen: Wir hören Gott oft gar nicht mehr, denn da ist der Lärm des Alltags, die vielfältigen Herausforderungen; da war der Beruf, die Kinder, das Haus musste gebaut werden, die Zukunft gesichert sein. Und so sind wir älter geworden, haben unendlich viel geschafft, geleistet und verdient, aber da fehlt noch etwas. Die Erinnerungen an den Gott unserer Kindheit, dem Glauben unserer Konfirmandenzeit und unserer vielen guten Absichten sind verschwommen, unklar geworden. Ja, hätten wir doch nur diese Bilder von einem erfüllten Leben... Und so heißt es in unserer Übertragung weiter:

 

Gott, du selbst bist mir begegnet,

und ich habe dich übersehen.

Gott, du bist mir nahe,

doch mein Herz ist verschlossen.

 

Natürlich sind auch wir Gott begegnet, weil er auch uns immer wieder einmal im Leben entgegenkam, aber wir haben ihn übersehen, weil uns anderes vor Augen stand. Wir haben uns dem Glauben verschlossen, weil wir für anderes offen waren, trotz dessen, dass Gott uns nahe war. Auch für uns findet keine Abrechnung statt. Auch für uns kann gelten, womit der Psalm in moderner Sprache endet:

 

Gott, ich weiß, du bist gnädig,

befreist uns Menschen von allerlei Fesseln,

rechnest Schuld nicht an

und eröffnest Wege,

die uns einander näher bringen.

Gott, wenn du willst, so leben wir.

 

Könnte ich doch hören,

was du, Gott, redest,

so wollte ich gerne deinem Wort folgen.

 

Auch in unserem Leben können sich Himmel und Erde begegnen. So wie Gott in seinem Wort und mit seinem Geist bei uns ist, können wir uns zu ihm hin öffnen. Das was in den Worten des modernen Psalms in Frage steht, wir können es tun.

Wir können hören; uns erinnern, wir haben diese anderen Bilder von Gott, nun brauchen wir ein wenig Zeit und vielleicht ein wenig Mut, uns für die großen Themen des Glaubens zu öffnen: Für die Güte, die Treue, Recht und Frieden. Jeder dieser Begriffe in unser Leben hinein übersetzt, bezieht sich auf den Umgang mit Menschen, ist ein Kommunikationsgeschehen. Nun gilt es, die Kommunikation auch mit Gott noch einmal ganz neu aufzugreifen. Aber daran sind wir ja alle erinnert und gerade nicht nur die Konfirmationsjubilare.

 

Israel feiert ein Erntedankfest und findet solche Worte des Glaubens, des Vertrauens zu Gott, trotz allem, was die Beziehung verdunkelte. Wir feiern heute das Konfirmationsjubiläum, auch wir erinnern uns, ganz gleich wie lange es her ist, dass wir konfirmiert - oder sollten wir katholisch sein - gefirmt wurden. Auch wir sind nach der Ernte gefragt: Was war? Wofür gilt es, dankbar zu sein? Reicht das alles für ein erfülltes Leben? Und wir dürfen uns – wie Israel – zusagen lassen: Dass Gott auch uns gnädig ist, dass wir unsere Fesseln einmal los werden und unsere Schuld der Vergangenheit angehört. So kommen auch bei uns Güte und Treue zusammen und das Recht und der Frieden küssen einander. Bilder des Glaubens, die uns mit einer großen Hoffnung leben lassen, denn Gott geht mit uns, wohin wir auch gehen. Nur mitnehmen müssten wir ihn dann schon...

 

Liebe Jubilare, liebe Gemeinde! Wagen doch auch wir noch einmal „Ja“ zu sagen zu unserem Glauben, zum Glauben unserer Kirche, um unserer eigenen Glaubwürdigkeit und eines erfüllten Lebens willen. Herzlichen Glückwunsch allen Jubilaren und Gottes Segen Ihnen allen. Amen.

 

 


 

 

 

Literatur:

 

 

1) Thomassen, Chr., Erinnern, in: Hartlieb, G., Hrsg., Spirituell leben,

    Freiburg, 2002, S. 78

 

 

Weiser, A., Psalm 85, in: Die Psalmen, Göttingen, 1966, S. 388

Gerstenberger, E., Hrsg., Psalm 85, in: Psalmen, In der Sprache unserer Zeit

 

 

 

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