18. Sonntag nach Trinitatis, Markus 10,17-27

 

 

 

Begrüßung:

 

Liebe Gemeinde! Muss sich nicht in unserem Handeln widerspiegeln, was wir denken und im Leben, was wir glauben? So mag uns unser Gottesdienst heute helfen, den Glauben zu bedenken, der uns in die Nähe Gottes bringt und den Gott, der uns durch offen macht für den Mitmenschen und für sie Welt in der wir leben. So wird uns unser Glaube nicht nur fordern, sondern eben auch fördern. Denn:

 

Dies Gebot haben wir von ihm, dass, wer Gott liebt, dass der auch seinen Bruder liebe (1. Joh. 4,21).

 

 

 

Gebet:

 

Herr, guter Gott! Mach uns frei von der Sucht nach Dingen, die uns nur kurzfristig befriedigen. Mach uns frei von der Gier, die uns betrügt und immer gieriger macht. Herr, wir haben Augen im Kopf, wir können sehen; einen Mund, wir können uns mitteilen; Ohren, wir können hören; Hände, wir dürfen teilen. Herr, du hast uns diese eine Welt geschenkt, dass wir sie miteinander teilen und nicht, dass wir uns den Lebensraum streitig machen. So lehre uns, menschlich zu leben und mit unserem Leben zu zeigen, dass wir zu dir gehören. Amen.

 

 

 

Als Jesus weitergehen wollte, kam ein Mann zu ihm gelaufen, warf sich vor ihm auf die Knie und fragte: »Guter Lehrer, was muss ich tun, um das ewige Leben zu bekommen?« Jesus antwortete: »Warum nennst du mich gut? Nur einer ist gut: Gott! Und seine Gebote kennst du doch: Du sollst nicht morden, nicht die Ehe brechen, nicht stehlen, nichts Unwahres über deinen Mitmenschen sagen, niemand berauben; ehre deinen Vater und deine Mutter!« »Lehrer«, erwiderte der Mann, »diese Gebote habe ich von Jugend an alle befolgt.« Jesus sah ihn an; er gewann ihn lieb und sagte zu ihm: »Eines fehlt dir: Geh, verkauf alles, was du hast, und gib das Geld den Armen, so wirst du bei Gott einen unverlierbaren Besitz haben. Und dann komm und folge mir!«

 

Der Mann war enttäuscht über das, was Jesus ihm sagte, und ging traurig weg; denn er hatte großen Grundbesitz. Jesus sah seine Jünger der Reihe nach an und sagte: »Wie schwer haben es doch die Besitzenden, in die neue Welt Gottes zu kommen!« Die Jünger erschraken über seine Worte, aber Jesus sagte noch einmal: »Ja, Kinder, es ist sehr schwer, dort hineinzukommen! Eher kommt ein Kamel durch ein Nadelöhr als ein Reicher in Gottes neue Welt.« Da gerieten die Jünger völlig außer sich. »Wer kann dann überhaupt gerettet werden?« fragten sie einander. Jesus sah sie an und sagte: »Wenn es auf die Menschen ankommt, ist es unmöglich, aber nicht, wenn es auf Gott ankommt. Für Gott ist alles möglich.«

 

 

 

Liebe Gemeinde!

 

Deutschland hat gewählt! Verwundert reiben wir uns die Augen. Wir haben bekommen, was wir gewählt haben, und so schwierig es im Moment auch aussehen mag, es wird sich im Laufe der Gespräche eine Regierungskoalition herausbilden. Reformen, die ja begonnen wurden, werden weiter zu führen sein unter welcher Farbenlehre auch immer. Auch wenn wir Bürger ganz offensichtlich politisch mündiger geworden sind, die schlicht falschen, oft sogar politisch motivierten Vorhersagen des Wahlausganges zeigen es, bleibt zu fragen, ob nun auch die Politiker verantwortlich mit diesem Mandat umgehen und weniger auf sich selbst und ihre jeweilige Partei, als auf das Notwendige zu schauen, das jetzt zu tun ist.

 

Fühlen wir uns nach Jahren des Klagens und Jammerns gerade in wirtschaftlicher Hinsicht eigentlich von unserem heutigen Predigttext angesprochen, in dem sich Jesus mit einem reichen jungen Mann auseinandersetzt? Ist das nur ein Wort aus vergangenen Tagen oder findet es seinen Platz in unserem Leben? Fragen wir doch einmal unsere Konfirmanden, die ja im Schnitt 13 bis 14 Jahre sind, wie es um sie steht?

 

Wer von Euch hat ein eigenes Handy? .......

Wer von Euch bekommt Taschengeld? ......

Wer von Euch hat sein eigenes Konto bei einer der Kenzinger Banken? .....

 

Aber fragen wir auch uns Erwachsene (ohne dass wir uns jetzt outen müssen): Wer von uns hat finanziell mehr zur Verfügung als das, was er im Monat für sich und seine Familie braucht? Wer von uns war im Urlaub außerhalb von Kenzingen?

 

Haben wir wirklich den Eindruck, dass es uns schlecht geht, wir zu den Armen der Welt gehören - und könnte es nicht sein, dass Jesus über den Tag hinaus schaut und mit dem reichen jungen Mann auch uns in unserer geistigen und geistlichen Armut meint? Fragen wir uns doch einmal weiter:

 

Was ist Euch jungen Leuten in Eurem Leben eigentlich wirklich wichtig? ..........

Was wäre denn uns Erwachsenen wichtig? .......

 

Wann z.B. haben wir das letzte Mal nach dem gefragt, was jenseits der Todesgrenze auf uns zukommt? Was also ist uns für unser Leben entscheidend wichtig, so wichtig, dass es uns in unserem Denken und Tun begleitet?

 

Wir alle leben unser Leben, planen unsere Tage und auch ein wenig, so gut es geht, unsere Zukunft; denken an unsere Rente, doch was über die traditionellen Werte wie Gesundheit, Familie, Beruf, eine Heimat, seinen existentiellen, sinnstiftenden Wert hat, bedenken wir letztendlich höchst selten, denn das könnte uns dann ja fordern, vielleicht sogar etwas an Nachdenklichkeit oder Engagement kosten.

 

Ein junger Mann sucht seinen Glauben. Er tut, wohlerzogen in allen menschlichen, ja sogar religiösen Gesetzen, alles was er kann, um mitten im Leben Gott zu finden. So trifft er auf Jesus, einen Mann mit der altbekannten Lehre der Väter und Mütter im Glauben, doch zugespitzt und radikalisiert in seiner Forderung, Gott mehr zu lieben als den Menschen, und wo Gott wirklich geliebt wird, den Menschen mehr zu lieben, als seine eigenen, liebgewonnenen Gewohnheiten.

 

Er ist, wie viele von uns, auf der Suche. Wir haben es immer wieder gehört, wie religiös wir Deutschen nach wie vor sind, doch wie wenig dies noch mit dem Christentum zu tun hat. So sucht sich jeder seine religiösen Brocken aus dem Supermarkt der Religionen, oft ohne die eigene religiöse Herkunft wirklich auf ihre Tragfähigkeit überprüft zu haben. Die Unwissenheit über den christlichen Glauben und über die Kirchen in Deutschland sind ein Skandal.

 

Schon nach den ersten Worten verweist Jesus den jungen Mann darauf, dass niemand „gut“ ist, außer Gott! Er wehrt die falsche Verehrung ab, um über sich hinaus auf Gott zu verweisen. Aber, weil Jesus diesen jungen Menschen - so zu sagen - auf den ersten Blick liebgewonnen hat, fordert er ihn und weil er ihn fordert, fördert er diesen, wenn auch zunächst vergeblich. Es ist eine Berufung, die selbst für Jesus, ein glatter Misserfolg ist. So wird deutlich, dass nicht die Armen und die Armut sein Hauptproblem sind, sondern ein Reichtum, der den Menschen fraglich bindet, ihn engherzig macht und an den wirklich entscheidenden Fragen des Lebens vorbei leben lässt.

 

Jesus erkennt, „dass das Geld die Macht besitzt, unsere wichtigsten Daseinsängste scheinbar zu beruhigen, Ängste, die nur wir Menschen haben und die uns deshalb immer wieder dazu zwingen, nach maßlosen und illusionären Antworten zu suchen...“ [1] Die wesentlichste Armut, die unser Leben ausweist, ist die, dass wir dem Glauben, der Hoffnung und der Liebe zu wenig zutrauen und damit dem menschenfreundlichen Gott. So treffen wir täglich auf „die reichen Leute, die im Vertrauen auf ihre Tüchtigkeit, ihre Vernunft, ihre Macht, ihren Einfluss zu wissen scheinen, wie das Leben auszusehen hat. Keiner Fehler sind sie sich bewusst, und wenn sie etwas falsch gemacht haben, so wissen sie mit Bravour in der Öffentlichkeit, in der Politik, in der Verwaltung, überall, die richtigen Erklärungen dafür zu finden... [2]

 

So leben wir mehr von dem, was wir haben, uns schaffen, besitzen, als von dem, was uns in unserer menschlichen Existenz, auch mit unseren einzigartigen Möglichkeiten der Gotteserkenntnis auszeichnet. Es geht Jesus also nicht um ein wenig Moral und Anstand, das setzt er voraus, - es geht auch nicht darum, hier und da ein wenig sozial zu sein, auch das ist selbstverständlich, - sondern es geht ihm allein und ausschließlich darum, dass wir aus der Welt und unserem Leben heraus Wege suchen und finden, die uns hinführen zu Gott. Von diesem Maßstab her, wird unser Leben sinnvoll und verantwortlich gelebt werden.

 

Jesus widerspricht, und er meint mit dem reichen jungen Mann damals, ganz sicher auch uns in unserer Zeit und Welt. Dabei ist es gut für uns zu wissen, dass Jesus ja eben auch diesen Menschen geliebt hat, so dass wir darauf hoffen dürfen, dass auch wir reiche, arme Menschen Gott im Blick bleiben. Auch im Widerspruch bleibt Jesus seinen Zuhörern zugewandt, trotz seines Widerspruches bleibt er dem jungen Mann verbunden. Kein Vorwurf, keine Moralpredigt, aber eine klar formulierte Forderung, denn der Glaube fordert uns immer.

 

Jesus tröstet seine Jünger. Der reiche junge Mann konnte oder wollte diesen Trost Jesu nicht mehr hören. Er ging weg, weil er zwar wirklich und uneingeschränkt ein „guter“ Mensch war, der aber von seinem Besitz so gefesselt blieb, dass ihm die Freiheit zur Nachfolge fehlte.

 

So werden es gerade die Reichen in ihren fraglichen Bindungen schwer haben, in die Nähe Gottes zu kommen. Ja, ein „Kamel wird eher durch ein Nadelöhr kommen, als ein Reicher in Gottes neue Welt!“ Man kann sich das Entsetzen der Jünger über ein solches Wort vorstellen. Aber Jesus meint es mit seiner Gottesnachfolge ernst, er zwingt seine Hörer geradezu in die Auseinandersetzung hinein. Auf die Rückfrage der Jünger, wer denn dann „überhaupt gerettet werden kann?“ antwortet er, dass es den Menschen unmöglich ist, Gott aber durchaus möglich.

 

Darin steckt ein tiefer entlastender Trost. Kümmern wir uns um unseren Glauben, und die Konsequenzen, die daraus für uns und unsere Welt entstehen, dann dürfen wir vieles andere in unserem Leben Gott überlassen. Wir haben gar nichts großartiges einzubringen, was uns reich vor Gott sein ließe, aber immerhin bleibt uns das Vertrauen, dass wir bei diesem Gott gut aufgehoben sind. Der große Theologe Karl Barth weist in einer Predigt darauf hin: „Das ist´s, was Gott will. Wer diesem Gesetz gehorcht, der kann nicht mehr sagen: das bin ich, das ist mein Recht, meine Ehre, mein Eigentum, der kann auch, gleichviel ob er arm ist oder reich, nicht mehr sagen: das ist mein Geld und Gut. Das Ich und das Mein gibt’s da nicht mehr. Das Ich und das Mein ist´s, das alles Unrecht und alles Leid anrichtet auf der Welt. Wegen dem Ich und dem Mein plagen die Menschen einander. Wegen dem Ich und dem Mein führen sie Krieg widereinander. Das Ich und das Mein ist das Wahrzeichen dieser Welt, ihrer Herrlichkeit und ihres unsäglichen Jammers...“ [3]

 

Stellen wir uns das einmal vor, eine Welt, in der wir die Maßstäbe Gottes wieder einmal mehr gelten ließen, - käme das nicht unseren geheimen Sehnsüchten und Wünschen sehr nahe? Es wäre ja ein Leben mit mehr Hoffnung, mehr Gerechtigkeit, auch sozialer Gerechtigkeit und mehr Frieden – aber, es wäre noch immer nicht das Paradies. Lassen wir armen reichen Menschen uns also wieder einmal gedanklich herausfordern, denn mit den Jüngern Jesu und dem reichen jungen Mann damals stehen auch wir nicht nur durch unser „eigenes Unvermögen gleich vor Gott“, sondern auch durch unsere „gemeinsame Berufung“.

 

Und ob Ihr Konfirmandinnen und Konfirmanden der einmal folgen möchtet, das wird sich im Laufe dieses Konfirmandenjahres für Euch zeigen, so, wie wir alle jeden Tag neu danach gefragt sind, wie wir unserer Berufung folgen, und vielleicht gerade dadurch auch offen bleiben für unsere Träume von einer anderen Welt. Amen.

 

 

 

 

 

Literatur:

 

1) Drewermann, E., Das Markusevangelium, Freiburg, 19914, S. 119

2) Drewermann, E., a.a.O., 122

3) Barth, K., Predigten 1914, Gesamtausgabe Bd 5, Zürich, 1974, S. 517

 

 

Eicher, P., Karl Barth, Der Reiche Jüngling, München, 1986

Schweitzer, A., Predigten 1898 – 1948, München, 2001, S. 293

 

 

Wir weisen darauf hin, dass Sie alle unsere Predigten im Internet nachlesen können. Sie finden sie unter:

 

http://www.evang-kirche-kenzingen.de oder:

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