Exaudi, Johannes 15, 26-16,4

 

 

Begrüßung:

 

Liebe Gemeinde! In seiner großen Abschiedrede spricht Jesus seine Freunde als seine Zeugen an, zugleich verweist er sie aber darauf, dass sie für ihren Glauben, wo sie für ihn eintreten, auch zu leiden haben werden. Für diese Zeit verspricht er ihnen den Beistand Gottes, einen Tröster, der ihnen zur Seite steht. Wie billig und bequem ist uns unser Glaube doch heute geworden. Die Volkskirchen sind anerkannt, kein Christ muss wirklich darunter leiden, dass er in der Kirche ist und wo wir etwas zu sagen hätten, halten wir uns lieber mit unserer Meinung bedeckt. Dabei ist das Bekenntnis unseres Glaubens auch heute noch teuer und es fordert uns jeden Tag neu in unseren vielfältigen Lebensbezügen heraus. Lassen wir uns daher noch einmal dazu ermutigen, unseren Glauben auch dann zu bekennen, wenn es unseren ganzen Mut fordert:

 

Herr, höre meine Stimme wenn ich rufe; sei mir gnädig und erhöre mich. (Psalm 27,7)

 

 

Gebet:

 

Herr, guter Gott! Wie oft haben wir Christen dein gutes Wort gehört und nicht danach gelebt, wie oft haben wir uns mit großen Worten auf unseren Glauben berufen, ihn aber ängstlich verschwiegen, wenn es darauf ankam, ihn zu bezeugen. Wie groß ist das Wort der Präambel unseres Grundgesetzes: „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen...“ und wie klein bleibt das, was aus dieser gesellschaftlichen, wie persönlichen Verantwortung dann gelebt und im Alltag ankommt. So schenke uns, Gott, Glaubwürdigkeit und einen tragfähigen Mut, unseren Glauben nicht nur gelegentlich zu bekennen, sondern auch wirklich zu leben – durch ihn, unseren Bruder und Herrn Jesus Christus. Amen.

 

 

Wenn aber der Tröster kommen wird, den ich euch senden werde vom Vater, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, der wird Zeugnis geben von mir. Und auch ihr seid meine Zeugen, denn ihr seid von Anfang an bei mir gewesen. Das habe ich zu euch geredet, damit ihr nicht abfallt. Sie werden euch aus der Synagoge ausstoßen. Es kommt aber die Zeit, dass, wer euch tötet, meinen wird, er tue Gott einen Dienst damit. Und das werden sie darum tun, weil sie weder meinen Vater noch mich erkennen. Aber dies habe ich zu euch geredet, damit, wenn ihre Stunde kommen wird, ihr daran denkt, dass ich's euch gesagt habe. Zu Anfang aber habe ich es euch nicht gesagt, denn ich war bei euch.

 


 

 

 

Liebe Gemeinde!

 

Messerscharf sitzen die Worte Jesu aus seinen Abschiedsreden und stellen uns die Frage: Wie bequem hast Du es Dir in Deinem Glauben eingerichtet und was nimmst Du noch für Deinen Glauben auf dich? In der Nachfolge der Jünger und Zuhörer Jesu hören ja auch wir die Worte: „Auch ihr seid meine Zeugen... Sie werden euch .. ausstoßen... und: Es kommt die Zeit, dass wer euch tötet, meinen wird, er tue Gott einen Dienst damit...“ Aber wer von uns hat denn schon einmal etwas für seinen Glauben auf sich genommen, was der Rede wert wäre, wer von uns musste für ihn einstehen gegen den erklärten Widerstand anderer? Hören wir einmal in zwei kleine Texte hinein:

 

„An die Stelle des Glaubens an Jesus Christus soll die Selbstanbetung des deutschen Menschen, die Verherrlichung des deutschen Volkstums und die religiöse Ergebenheit gegenüber dem deutschen Führer treten, und an die Stelle der Kirche gedenkt die nationalsozialistische Partei sehr einfach sich selbst zu setzen... Das Wort Gottes kann im heutigen Deutschland angesichts der überall zum Eingreifen bereiten Überwachung und Angeberei nicht mehr frei gepredigt werden...“ 1), so konnte man es in einem Memorandum an die Pfarrer der Schweiz 1937 lesen.

 

In einem Brief an die Pfarrerschaft in Frankreich heißt es dann 1940: „ ... Der Nationalsozialismus selbst mit seinen Lügen und Grausamkeiten, mit seiner Willkürjustiz, seinen Judenverfolgungen [!]  und Konzentrationslagern [!], mit seiner Bekämpfung und Vergiftung der christlichen Kirche, mit seiner grundsätzlichen Unfreiheit und darum Unverantwortlichkeit des Denkens und der Rede, mit seiner bewussten bösen Ungeistigkeit – der Nationalsozialismus als `Revolution des Nihilismus´ ist ja auch nicht im Geringsten anders geworden... Der Nationalsozialismus ist dasselbe fürchterliche, aber auch innerlich hohle, letztlich nichtige Gebilde aus der Unterwelt, das er immer gewesen ist...“ 2)

 

Es war Karl Barth, der diese Worte schrieb, längst nach dem er als „Lehrer deutscher Jugend nicht fernerhin in Betracht kommen könne“, der „Redefreiheit beraubt“ und schließlich zwangsweise in den „Ruhestand“ versetzt wurde. 3) Karl Barth, der geistige Vater der `Barmer Theologischen Erklärung´ wurde von den Nationalsozialisten in die Schweiz abgeschoben. Und dort? Dort wurde sein Telefon von staatlichen Stellen sehr bald ebenfalls abgehört, Texte durften nicht gedruckt und vervielfältigt werden, Reden wurden in Kleidungsstücke eingenäht auf Mikrofilm nach England geschmuggelt und von dort im Namen Barths im Rundfunk verlesen. Und warum?

 

War Karl Barth durch sein Wort, das Wort des Glaubens, das Wort der Theologie den Nationalsozialisten zu unbequem und gefährlich geworden, so fürchteten die Schweizer Behörden den großen braunen Nachbarn im Norden, man wollte mit den Nazis, von denen man gut profitierte, keine Probleme, dann schon lieber das Wort unterdrücken – und das in der liberalen Schweiz. Immerhin war die „Schweiz während des Zweiten Weltkriegs der wichtigste Umschlagplatz für Gold aus dem Machtbereich des Dritten Reichs. 79 Prozent aller Goldlieferungen nach dem Ausland wickelte die Reichsbank über die Schweiz ab... Hinzu kam Raubgold... Bei dieser Kategorie handelt es sich um das Gold, welches das Nazi-Regime den ermordeten oder überlebenden Opfern von Massenhinrichtungen sowie von Konzentrations- und Vernichtungslagern..., raubte...“ 4)

Die Verantwortlichen wussten schon seit 1941, um was für eine Art Gold es sich handelte. Es war also klar, dass ein Mann wie Karl Barth mit seinem deutlichen Bekenntnis die stillen Bank-Kreise und damit auch die offizielle Politik der Schweiz störte, woran niemand ein Interesse hatte.

 

Jesus sieht, was auf seine Jünger und Freunde zukommen wird, wenn sie sein Wort ernst nehmen, denn es muss früher oder später auf Widerstand stoßen, so, wie ja auch er auf einen erbitterten Widerstand stieß, der schließlich zu seiner Hinrichtung führte. Aber schauen wir uns noch ein wenig in der ja kaum vergangenen Gegenwart um, so war es nicht Karl Barth allein, der sein offenes Wort sagte, es waren unendlich viele, ja unzählbare Mitchristen mit ihm.

 

Unter Mitwirkung von Bonhoeffer, Karl Barth und einigen anderen Theologen war schon im August 1933 eine Stellungnahme, `das Betheler Bekenntnis´, herausgebracht worden. In ihr findet sich ein Abschnitt über `die Kirche und die Juden´. Darin wendet man sich gegen jeden Versuch, die Kirche umzuwandeln in eine `Reichskirche arischer Rasse.´ 5) Das Bekenntnis wurde im konfessionellen Streit der Kirchenleitungen zwar verwässert, nicht aber im Abschnitt zur Judenfrage. Es hatte einige Auflagen, wurde also, wie auch die zahlreichen Kanzelabkündigungen innerhalb der Bekennenden Kirche in einer breiten Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen.

 

Sicher, es war oft leider nicht die Kirche, weder die evangelische, noch die katholische Kirche, die ein offenes Wort gegen den Ungeist jener Zeit sagten, aber es ist ebenso wahr, dass es unzählige Christen in den Kirchen gab, die es taten und die sich für all jene einsetzten, denen der Nationalsozialismus zusetze. Über diese Menschen, die unendlich viel, auch leidvolles, auf sich nahmen, redet man in Deutschland allerdings nur wenig. Diese Wahrheit wird nur allzu oft verschwiegen, aber warum eigentlich und mit welchem Interesse übergeht man sie? Wir dürfen bei allem geschehenen Unrecht dennoch nicht vergessen: Kirche besteht nun einmal aus einzelnen Menschen, aus Christen - und es gab mehr, die viel gewagt haben, als es uns heute noch bewusst ist. Im Talmud heißt es: „Die Gerechten aus den Völkern haben einen Platz in der kommenden Welt.“ Und davon gab es im Deutschen Widerstand unzählige mehr, als Bäume in Yad Vashem für die öffentlich gewordenen „Gerechten“ gepflanzt wurden.

 

„ ... Die Kirchen bewahren seit Jahrhunderten das Gedächtnis an ihre Märtyrerinnen und Märtyrer. Aber gerade im 20. Jahrhundert sind unzählige Christen aller Konfessionen in den Diktaturen des Nazismus und Kommunismus zu Märtyrern geworden...6) Über 500 Kurzbiographien zu Einzelschicksalen deutschsprachiger Christinnen und Christen im NS-Staat, in der DDR, in der Sowjetunion und anderen Staaten werden z.B. in dem Buch: „Ihr Ende schaut an“ aufgeführt und sind dokumentiert.

 

Exaudi, so lautet der Name dieses Sonntags, der abgeleitet ist vom 27. Psalm: „Herr, höre meine Stimme, wenn ich rufe...!“ In dieser Zeit zwischen Ostern und Pfingsten braucht die Gemeinde das tröstende Wort, die tröstende Geisteskraft, die der Herr seinen Nachfolgerinnen und Nachfolgern schenkt. Das ist das Versprechen dieser letzten großen Rede Jesu, die uns im Johannes Evangelium überliefert wird. Wir glauben den Auferstandenen in der Gegenwart unseres Gottes, aber wir wissen, wo unser Glaube im Alltag erprobt ist, Gott bei den Menschen.

Es gilt den Glauben zu bekennen, auch wenn es für die Judenchristen der ersten Gemeinden Verfolgung, Unterdrückung, ja oft genug den Tod bedeutete. Auch für uns heute heißt es, uns zu bekennen und unseren Glauben eben gerade nicht in einer Vielfalt religiöser Möglichkeiten und Unmöglichkeiten untergehen zu lassen.

 

Natürlich ist es schön, wenn die Fachzeitschrift „Psychologie Heute“ davon berichtet, dass es überraschend viele religiöse Menschen in Deutschland gebe, aber was nutzt das, wenn diese „neue, bunte Vielfalt“ 7) eher einem allgemeinen Weltethos folgt, als dem guten Geist unseres Gottes. Dass heute ja kaum noch jemand wegen seines christlichen Glaubens angegriffen wird, zeigt ja, wie bequem wir es uns in unseren Kirchen und mit ihnen in der Welt eingerichtet haben. Die Kirchensteuern zu bezahlen ist dankenswert und auch sinnvoll, aber kein Bekenntnis, zu einem Bekenntnis würde dies erst dann, wenn andere darüber lästern, dass ich sie immer noch zahle.

 

Da schießen wir uns heute geistig auf den Islam ein, doch warum eigentlich? Was verunsichert uns da so sehr, dass wir auf Aus- und Abgrenzung bedacht sind, anstatt uns fröhlich unseres eigenen Glaubens zu erfreuen. Angst vor anderen Religionen muss nur der haben, dessen eigene Wurzeln längst am Absterben sind. So muss der Glaube ganz neu gepflegt werden und dazu ermutigen, uns das Wort Jesu aus seinen Abschiedsreden zu Herzen zu nehmen. Auch der Glaube, wenn er ernst genommen wird, wird bei aller Freude, immer wieder einmal den Widerspruch anderer herausfordern und dann gilt es glaubwürdig zu bleiben und Position zu beziehen - auch in einer Demokratie, auch 60 Jahre nach der Verabschiedung eines Grundgesetzes, wie es Deutschland noch nie zuvor kannte.

 

Nicht alle, die Gott Gott sagen, sprechen von dem Gott den wir meinen und denken an einen ganz anderen Gott. Nicht alle, die von der Würde des menschlichen Lebens sprechen, meinen sie, wenn wir an die vielfältigen Fragen medizinischer Ethik und Forschung denken. Nicht alle, die vorgeben, menschliches Leben schützen zu wollen, tun dies auch. Denn wie stehen wir zu Fragen der Abtreibung, wie zu Sterbehilfe, wo gilt es Ja, wo Nein zu sagen? Was sagen wir als Christen heute zu den medizinisch machbaren Möglichkeiten? Wo haben wir als Christen unser Wort zu sagen, unseren Widerspruch anzumelden, wenn es darum geht, das Leben zu Forschungszwecken zu missbrauchen und es an der Ehrfurcht vor dem Leben fehlen zu lassen? Was sagen wir zu Politikern und Wirtschaftsführern, die versuchen den Menschen unverhältnismäßig gläsern zu machen? Es gibt Beispiele über Beispiele, wo wir gefordert sind – bis hin zu unserem persönlichen Vorbild und unseren Gesprächen in der Familie, im Freundeskreis, in Vereinen, an Stammtischen oder bei unseren Wahlentscheidungen. Ein billiges Bekenntnis des Glaubens ist gar kein Bekenntnis des Glaubens, es kann gar nicht wertvoll und teuer genug für uns sein.

 

Insofern ist es schon richtig, wenn wir uns mit unserem Glauben immer wieder an einen Anfang gestellt sehen, denn jeder Tag hat seine neuen und anderen Herausforderungen, aber jeder Tag bietet nun auch die Möglichkeit zu einem mutigen Bekenntnis des eigenen Glaubens. Das muss nicht protzig und aufgesetzt daher kommen, das können die unendlich vielen kleinen Gesten und gute Worte am deutlichsten zu Ausdruck bringen in denen Gott, der Tröster, bei uns, mit uns und durch uns auch bei unseren Mitmenschen ist – und damit werden wir niemals fertig werden. Fangen wir darum an, uns auf den Tröster selbst zu verlassen, Gott, um so unseren Glauben heute fröhlicher zu leben und mutiger zu bekennen. Amen.

 

 

 

 

Literatur:

 

1) Barth, K., Gesamtausgabe, Offene Briefe 1935-1942, Zürich, 2001, S. 57

2) Barth, K., a.a.O., S. 246 f

3) Busch, E., Karl Barths Lebenslauf, München, 1975, S. 270ff

4) Informationen hierzu siehe:

    http://www.uek.ch/de/publikationen1997-2000/nazigold_kurzversion.pdf

5) Bonhoeffer, D., Gesammelte Schriften, Band 2, München, 1965, S. 115ff

6) Schultze, H., (Hsg), Kurschat, A., Ihr Ende schaut an... in:

http://www.eva-leipzig.de/product_info.php?info=p2572_-Ihr-Ende-schaut-an-----.html

7) Rötzer, F., Gibt es eine Renaissance der Religion? In: Glaubenssachen,

    Psychologie Heute, 2008, Heft 19, S. 10

 

Plüss, D., Bieler, A., Göttinger Predigtmeditationen, 2009, 63. Jhrg., Heft 2,

Göttingen, S. 271ff

Drewermann, E., Das Johannesevangelium, Zweiter Teil, Düsseldorf, 2003, 166ff

Dirschauer, J., Exaudi, in: http://www.pfarrverband.de/pfarrerblatt/predigthilfen.html

 

 

 

Wir weisen darauf hin, dass Sie alle unsere Predigten im Internet nachlesen können. Sie finden sie unter:

 

http://www.evang-kirche-kenzingen.de oder:

http://www.predigten.de/ (Powersearch anklicken, Text oder Name eingeben)

 

In dankbarer Erinnerung an meine theologischen Lehrer aus der Schule Karl Barths, die zur Zeit des Dritten Reiches als junge Theologen keine Anstellung bekamen und dennoch ihren Dienst in der Bekennenden Kirche aufnahmen und ihren Glauben gegen die Deutschen Christen und deren Ideologie und Ungeist bezeugten.