Konfirmation, 2005, Psalm 139

 

 

 

 

Begrüßung:

 

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, verehrte Eltern, Familien, Paten und Gäste, liebe Gemeinde! Sehr herzlich begrüße ich Sie zu unserer heutigen Konfirmation hier in der katholischen St. Laurentiuskirche in der wir zu Gast sein dürfen. In vielfacher Weise bewegt ein solcher Tag: Ihr habt Euch hierher bewegt, um nun Euer eigenes Ja zu Glaube und Kirche zu sagen; viele Menschen haben sich auf den Weg gemacht, um mit Euch zusammen Eure Konfirmation zu feiern; Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben sich Gedanken gemacht, geprobt und geübt, damit dieser Tag gelingt und Euch in einer ganz besonderen Erinnerung bleibt. Ja, und wenn ich ganz ehrlich bin, dann bin ich selbst bewegt, weil nun wieder ein Konfirmandenjahrgang in die Freiheit des Glaubens und in die eigene Entscheidung, wie man sich zu Glaube und Kirche verhalten wird, entlassen werden.

           

            So wünsche ich Euch und uns allen einen gesegneten Gottesdienst, eindrucksvolle Erinnerungen an diese Stunde und den Tag der Konfirmation und Gottes Segen für Euren Lebensweg. Denn:

           

Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat, lasst uns freuen und fröhlich an ihm sein!“

 

 

 

 

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden,

verehrte Familien und Gäste,

liebe Gemeinde,

 

In einer träumerischen Geschichte aus China wird von einem Maler erzählt, der alt geworden war und einsam über der Arbeit an einem einzigen Bilde. Schließlich wurde es doch fertig. Er lud die verbliebenen Freunde ein. Sie umstanden das Bild: ein Park war darauf zu sehen, ein schmaler Weg zwischen Wiesen führte zu einem Haus auf der Anhöhe. Als die Freunde, fertig mit ihrem Urteil, sich dem Maler zuwenden wollen, ist der nicht mehr da. Sie blicken ins Bild: Dort geht er auf dem Weg die sanfte Anhöhe hinauf, öffnet die Tür des Hauses, steht einen Augenblick still, dreht sich um, lächelt, winkt noch einmal und verschwindet, sorgfältig die gemalte Tür hinter sich verschließend. - Der Maler verschwindet in seinem Bild. [1]

 

Was für ein Bild von der Welt haben wir, was für ein Bild von der Welt wünschen wir uns und an was für einem Bild von der Welt arbeiten wir selbst? Ja, in was für ein Bild von der Welt möchten wir hinein wandern, um darin aufzugehen? Unser Maler lebt in der Welt, vielleicht richtiger, er lebt in seiner Welt. Er geht in das Bild zurück, das er geschaffen hat, er kehrt heim und kommt an.

 

Unser ganzes Leben ist mit jedem Schritt, den wir tun und jeder Sekunde, die uns schlägt, durchzogen von solchen Aufbrüchen, solange wir eine Zukunft vor uns haben. Gerade aber an den Schwellen unseres Lebens, dort, wo sich etwas verändert, fragen wir uns, wo wir einmal mit diesem Leben ankommen möchten? Auch der heutige Tag, der Tag Eurer Konfirmation, ist ein solcher Tag: Eure Eltern und Paten werden sich an den Tag Eurer Geburt, Eurer Taufe erinnern, sie sehen Euch und Euren Weg bis hierher und haben ihr Bild von Eurem Weg, so, wie Ihr Euer eigenes Bild von Eurer Vergangenheit und der Zukunft habt.

 

Wer sich auf den Weg macht, weiß ja in der Regel, wohin die Reise gehen soll. Ich muss den Fahrplan kennen, das Auto muss betankt sein, ich sollte um die Wege wissen, die Kreuzungen, an denen sich die Richtung ändert, wenn möglich sogar die nötigen Umwege, sollte es einmal Baustellen geben. Für alle meine Wege brauche ich also den richtigen Durchblick. Wer zu kurz- oder zu weitsichtig ist, kann sein Ziel schnell verfehlen, da können uns dann Brillen helfen, um eine klare Sicht zu bekommen.

 

„Der Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an!“ Samuel, ein prophetischer Gottesmann, gehört zu den Weisen in Israel. Maßgeblich ist er mit an dem neuen Weg beteiligt, der vor Israel liegt. Das Volk braucht einen König, darf darüber Gott aber nicht aus dem Blick verlieren. Samuel weiß um die Täuschungen und Enttäuschungen, die ein jedes Leben begleiten, er ist Realist. Er weiß, dass es nicht reicht, einfach nur ein Bild von der Welt zu haben, wenn wir nicht den Mut aufbringen, an diesem Bild von der Welt, unserer Welt, mit zu arbeiten. Im Wissen um diesen Weg kann dann der Beter des 91. Psalms sagen: „Gott hat seinen Engeln befohlen, dich zu beschützen, auf allen deinen Wegen.“ Zwei Konfirmationssprüche, die wie zwei Flügel eines mittelalterlichen Klappaltares den 139. Psalm flankieren. Dieser Psalmbeter setzt sich seinem Gott aus. Er weiß, dass sein Gott ihn mit allen seinen Möglichkeiten, aber auch Grenzen kennt. Sein Gott sieht hinter die Kulissen, die wir Menschen uns gern errichten.

Ihr habt zu Eurem Konfirmationsspruch gesagt: „Gott schaut nicht, wie hübsch oder hässlich ein Mensch ist... Äußerlichkeiten sind kein Hinweis auf das Innere oder die Fähigkeiten eines Menschen. Auch wenn manche vorgefertigten Meinungen bestätigt wurden, was zählt, ist immer der Charakter! Vor Gott sind alle Menschen gleich...“ So ist es entscheidend, zu wissen, dass es mehr im Leben gibt, als das, was wir vor Augen oder in der Hand haben.

 

Doch: Durch welche Brille sehen wir das Bild, das wir uns von der Welt machen, durch welche Brille unsere Zukunft, unsere Mitmenschen? Es ist ja nicht alles im Leben immer rosarot, wir kommen nicht immer gleich und ohne Umwege zum Ziel, auch dann nicht, wenn wir die richtige Brille aufhaben. So kann es heute auch darum gehen, Euren Blick zu schärfen, mit den „Sehhilfen“ zu experimentieren, die Euch zur Verfügung stehen, denn wie möchten wir alle unsere Welt sehen und wie genau schauen wir hin, wenn uns nicht alles egal sein soll und wir uns nicht einfach nur so treiben lassen wollen?

 

Trotz topmodischer Brillengestelle, frisch geputzter Gläser und optimaler Sehschärfe, klappt es manchmal nicht mit dem, was wir wollen. Auch das gehört zur guten Sicht auf das Bild, das Ihr Euch von Eurer Welt macht, darum zu wissen, dass wir eben nicht alles allein im Blick, in der Hand, im Griff haben. Martin Luther sagt einmal: „So ist des Menschen Wille ... wie ein Lasttier. Wenn Gott darauf sitzt, will er und geht, wohin Gott will ... Wenn Satan darauf sitzt, will er und geht, wohin Satan will. Und es liegt nicht in seiner freien Wahl, zu einem von beiden Reitern zu laufen und ihn zu suchen, sondern die Reiter selbst kämpfen darum, ihn festzuhalten und in Besitz zu nehmen...“ [2]

 

Ihr drückt ja mit Eurem zweiten Konfirmationsspruch (Ps. 91,11) den Wunsch aus, dass Euer Leben gut begleitet sein möge, dass es eben nicht egal ist, wer oder was einen Menschen reitet, in was für ein Bild meiner Welt ich hinein leben will. Voller Vertrauen habt Ihr selbst dazu gesagt: „Wir haben immer einen Beschützer an unserer Seite...  Man soll den Kopf nicht hängen lassen, wenn es einem nicht gut geht... Gott wird uns vor allem Unheil schützen, in guten wie in schlechten Zeiten...“

 

Auch hier seid ihr eingeladen zu experimentieren, denn mit der Konfirmation seid Ihr zwar an einer ganz wichtigen Schwelle im Leben, auf dem Weg zum Erwachsenen, angekommen, aber Ihr bleibt auf dem Weg, Ihr bleibt, wenn Ihr Euren Konfir-mandenunterricht gut verstanden habt, Suchende, Fragende, ja vielleicht auch in einem ganz guten Sinne Zweifelnde. Menschen, die eine bessere Brille suchen, eine noch klarere Sicht auf die Welt, um die Bilder zu entschlüsseln, in die Ihr hinein lebt. Dabei tun wir uns oft schwer mit diesem Gott. Warum? In einer Zeit, in der „Geiz geil“ und „time money“ ist, ist uns Gott ferner denn je. Denn: Gott gibt es nicht umsonst, ein billiger Glaube ist Aberglaube, ein billiger Gott ist nicht mehr der biblische Gott. So bleiben wir herausgefordert, etwas in Glaube und Kirche zu investieren – auf alle Fälle Zeit und Energie, um herauszufinden, welchen Sinn wir unserem Leben überhaupt geben wollen und welche Bedeutung wir Gott für unser Leben zumessen.

 

Gerade angesichts der dunklen Situationen unseres Lebens, der Schattenseiten, die wir ja alle in unserem Leben einmal erleben werden, ist zu fragen: „Wie aber lebt man als aufgeklärter Mensch mit Gott in der Katastrophe ... Wie lebt man mit Gott trotz allem? ... Kurz: Wie lebt man vor Gott, mit Gott, gegen Gott – jedenfalls nicht ohne Gott, angesichts einer persönlichen und politischen Katastrophe...?“ [3]

Er ist da, ob wir es glauben und spüren oder nicht, er ist grenzenlos in seiner Gottheit. Wo wir Menschen Gott denken, tun wir es in den Grenzen unseres menschlichen Verstandes, wo wir Gott glauben, geschieht es immer im begrenzten Rahmen unserer Möglichkeiten, gerade das ist der unendliche qualitative Unterschied zwischen Gott und Mensch, das erkennen unsere biblischen Psalmbeter so gut, wie es Samuel wusste. Aber gerade weil wir um diesen Unterschied wissen und damit um dieses so ganz andere Sehen und Begleiten Gottes, darum dürfen wir tagtäglich in unserem Glauben, wie in unserer Menschlichkeit, wachsen und reifen.

 

Die Konfirmation ist also nur oberflächlich betrachtet ein Schlusspunkt, ganz sicher ist sie eine Zäsur, denn nun bleibt Ihr selbst gefragt, was aus Euch und Eurem Glauben, aus Euch und Eurer Kirche wird. An guten Vorsätzen, zumindest aber einigem Nachdenken fehlt es bei manchen von Euch ja nicht, denn so habt Ihr es uns in Eurem Rückblick auf Euer Konfirmandenjahr geschrieben: „Jeder weitere Konfirmand soll ein genauso schönes Konfirmandenjahr erleben wie dieses!“ Oder: „Ich habe den Wunsch, dass meine Eltern oder meine Freunde mit mir in die Kirche gehen. Ich wünsche mir, dass mein eigener Glaube erhalten und aufrecht bleibt! Und genauso auch meiner Gemeinde und dass sie immer zusammenhält!... Ich habe in meinem eigenen Glauben viel dazugelernt...“

 

Wir haben versucht, Euch eine Brille für den Blick auf Euren Glauben, Eure Kirche und damit auch auf Euer weiteres Leben anzubieten, mit der Ihr sehen lernen könnt, denn wichtig ist ja, dass wir nicht nur mit unseren Augen gut, sondern eben auch mit dem Herzen zu sehen lernen. So bleibt Ihr nun unterwegs und an einen weiteren Anfang in Eurem Leben gestellt, denn es stellt sich die Frage: Was für ein Bild Ihr Euch von der Welt macht, was für ein Bild Ihr Euch von der Welt wünscht und an was für einem Bild von der Welt Ihr nun mitarbeiten wollt? Ja, in was für ein Bild von der Welt wollt Ihr selbst hinein wandern, um darin aufzugehen?

 

Auch wenn ich persönlich traurig bin, dass wir uns als Konfirmandenjahrgang nun trennen, so liegt es jetzt mit an Euch, dass unsere Kirche mit Euch jung bleibt und mit Euch dann auch älter wird. Für diesen Weg, der vor Euch liegt, wünschen wir Euch einen klaren Blick und dass der menschenfreundliche Gott Euch mit allen guten Geistern begleiten möge in guten und in schweren Zeiten, denn Gott sieht weiter, als wir es könnten. In seiner Gegenwart seid und bleibt Ihr jederzeit gut aufgehoben. Er segne und behüte Euren Lebensweg. Amen.

 

 

 

Literatur:

 

1) Safranski, R., Wieviel Wahrheit braucht der Mensch? München, 1990, S.11

2) Gestrich, Chr., Die Wiederkehr des Glanzes in der Welt, S.9

3) Kuschel, K.-J., Gottes grausamer Spaß?

    Heinrich Heines Leben mit der Katastrophe, Düsseldorf, 2002, S. 10

 

 

 

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