3. Sonntag nach Trinitatis, Gottesdienst im Grünen, Paul Gerhardt

 

 

 

Begrüßung:

 

Liebe Gemeinde! „Geh aus, mein Herz und suche Freud...“! Sehr herzlich begrüße ich Sie alle hier im Park der AWO zu unserem diesjährigen Gottesdienst im Grünen. Mit jedem Gottesdienst, den wir feiern, erinnern wir uns: An Gott, unseren Glauben, die Hoffnung und die Liebe, an die Möglichkeiten unserer Humanität, aber auch an Schuld und Versagen. Heute wollen wir uns an einen der großen Lehrer der Kirche erinnern, an den Liederdichter Paul Gerhard, dessen vierhundertsten Geburtstag wir in diesem Jahr feiern konnten. Seine Lieder begleiten das Leben aller Christen wohl weltweit durch das ganze Kirchenjahr hindurch. Hören wir heute einmal durch sein Leben und Werk unseren Gott auf eine andere Weise und hier, mitten in diesem wunderschönen Park in der Altstadt von Kenzingen.

 

Denket an eure Lehrer, die euch das Wort Gottes gesagt haben; ihr Ende schauet an, und folget ihrem Glauben nach. Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit. (Hebräer 13,7)

 

 

 

Gebet:

 

Herr, guter Gott! Wir danken dir für diesen „Gottesdienst im Grünen“, den wir hier im Park der AWO, einmal mitten in der Natur, miteinander feiern durften. Wir danken dir für dein gutes Wort, das wir heute vor allem durch den Glauben und das Werk Paul Gerhardts hören und auch singen durften. Seine Lieder begleiten uns durch die Höhen und Tiefen unseres Lebens, das ganze Kirchenjahr hindurch, sie lassen uns von unserem Glauben singen und dich damit auf eine ganz besondere Weise loben, selbst dann, wenn wir manchmal die Sprache für unseren Glauben verloren haben.

 

So danken wir dir heute ganz besonders für alle Menschen, die uns mit ihrem Glauben ein Vorbild sind und die sich die Zeit hindurch in unsere Kirche eingebracht haben. Vor dir bringen wir nun auch voller Dankbarkeit alle Menschen in Erinnerung, die uns den Weg zu dir vorangegangen sind – und beten für uns, unsere Gemeinde, für unsere katholischen Mitchristen, unsere kleine Stadt und für die ganze Welt. Amen.

 

 

Denket an eure Lehrer, die euch das Wort Gottes gesagt haben; ihr Ende schauet an, und folget ihrem Glauben nach. Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit.

 

Hebräer 13,7

 

 

 

Liebe Gemeinde!

 

Heute feiern wir unseren Gottesdienst wieder einmal im Grünen, hier im Park des Altenpflegeheimes der Arbeiterwohlfahrt in Kenzingen, in enger Nachbarschaft zu unserer Kirche. Es ist schön, dass wir diesen Gottesdienst miteinander feiern dürfen, um unseren Gott zu loben und ihm für all das zu danken, was uns mit unserem Leben geschenkt ist. Beides, Lob und Dank, soll zum Ausdruck kommen, in dem wir Lieder aufgreifen, die uns von Kindheit an durch das Kirchenjahr hindurch begleitet haben und von Paul Gerhardt gedichtet wurden. In diesem Jahr feiern wir seinen vierhundertsten Geburtstag. Wir wollen uns mit seinem schweren Leben auseinandersetzen, wie aber auch mit der Zeit, in der er lebte und mit seinem großartigen Werk. Nein, keine evangelische Heiligenverehrung, sondern eher in dem Sinne, wie es im Hebräerbrief ausgedrückt wird, wenn es dort heißt:

 

Denket an eure Lehrer, die euch das Wort Gottes gesagt haben; ihr Ende schauet an, und folget ihrem Glauben nach. Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit.

 

Dieses Gedenken, Erinnern an all jene, die uns in unserem Glauben begleitet und gefördert haben, uns vielleicht sogar ein großes Vorbild waren, kommt bei uns oft zu kurz. Wir alle haben, gut protestantisch, Martin Luthers „Sola scriptura“, „allein die Schrift“ im Ohr, die wir heute einmal durch die Lieder Paul Gerhardts hören wollen. Zu einem Geburtstag gehört in vielen Familien ein Ständchen, so singen wir dankbar „Du meine Seele singe“ und wollen darauf hören, wie Paul Gerhardt den 146. Psalm auf seine Weise zum Klingen bringt:

 

 

Lied:   EG  302, 1-5 Du meine Seele singe

 

 

Um die Tiefe, ja, das Einmalige an Paul Gerhardt zu verstehen, müssen wir uns einmal kurz sein Leben vor Augen führen: Paul Gerhardt wurde am 12. März 1607 in Gräfenhainichen bei Wittenberg, als Sohn eines Bürgermeisters, Bauern und Gastwirts in durchaus gut situierte Verhältnisse hinein geboren. Sein Vater stirbt, als er zwölf Jahre alt ist, seine Mutter zwei Jahre später. Er besucht die klösterliche „Fürstenschule“ in Grimma, ein Elitegymnasium an dem viel von den Schülern erwartet wird und auf dem es sehr diszipliniert zugeht. Durch den Dreißigjährigen Krieg, der 1618 begonnen hat, ist das Essen knapp. Trotz einer Seuche, die ausbricht, bleibt er auf seiner Schule. Ab 1628 studiert er Theologie in Wittenberg, wo er zugleich als Hauslehrer arbeitet, um sich Geld zu verdienen. Er verlässt die Universität ohne einen Abschluss.

1643 zieht er nach Berlin, wo er von Johann Crüger, dem Kantor von St. Nicolai, sehr gefördert wird. Dieser vertont die Lieder Paul Gerhardts und veröffentlicht 18 von ihnen in einem sehr frühen Gesangbuch. Mit rund 45 Jahren wird Paul Gerhardt an St. Nicolai ordiniert. Er fühlt sich vor allem den lutherischen Bekenntnisschriften verpflichtet. Von 1651 an ist er Probst in Mittenwalde. 1655 heiratet er. Vier Kinder werden in diese Ehe hinein geboren, wovon nur der Sohn Paul Friedrich seine Eltern überleben wird. Nach 1662 prägt ein Kirchenstreit das Leben der Gerhardts, der zu seiner Entlassung aus dem Pfarramt führt. 1668 stirbt seine Frau im Alter von 46 Jahren. Er erhält durch Beziehungen und seinen hohen Bekanntheitsgrad noch einmal eine neue Pfarrstelle in Lübben bei Cottbus. Doch er vereinsamt und scheint die letzten Jahre seines Lebens auch keine Lieder mehr gedichtet zu haben. Über viele Jahre seines Lebens haben wir keine Informationen. Am 27. Mai 1676 stirbt Paul Gerhardt und wird im Altarraum seiner Kirche beerdigt.

 

Hören wir ihn noch einmal mit dem angefangenen Lied (EG 302) „Du meine Seele singe“, in dem wir den 8. Vers singen: „Ach ich bin viel zu wenig, zu rühmen seinen Ruhm...“

 

 

Lied:   EG  302   8 Du meine Seele singe

 

 

Was das Leben Paul Gerhards nachhaltig prägt, ist zunächst die Zeit in der er lebt, die Zeit des Dreißigjährigen Krieges von 1618 bis 1648. Es ging ganz schlicht um die Vormachtstellung in Europa und um die Auseinandersetzung zwischen der Katholischen Liga und der Protestantischen Union. Der Krieg verursachte Hungersnöte und Seuchen, er entvölkerte ganze Landstriche. Mehr als ein Jahrhundert dauerte es, bis sich die betroffenen Gebiete wieder erholten. Und damit gibt es nun auch eine Verbindung zu unserer Gemeinde. In die chaotischen Zustände, ja die Wirren dieses langen Krieges und als Reaktion darauf holte der Gemeinderat den Franziskanerorden nach Kenzingen, um hier ein Kloster aufzubauen. Doch erst nach dem Friedensschluss 1648 konnten die Mönche an die eigentliche seelsorgerliche Arbeit heran gehen. Gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges brannte die ganze Altstadt von Kenzingen ab, abgebildet in dem Glasfenster „Der große Brand von Kenzingen“ in St. Laurentius. Nur wenige Häuser überstanden das Inferno, die Menschen flohen nach Freiburg, so dass von etwa 3000 Menschen, die hier lebten, nur ca. 200 übrig blieben. 1659 wurde mit dem Klosterbau begonnen, die Einweihung unserer Kirche war 1662. Es war der letzte franziskanische Klosterbau in ganz Süddeutschland.

 

69 Jahre lebte Paul Gerhardt, dreißig Jahre fallen in die Zeit des grausamsten Krieges, den Europa erlebte. Auch seine Heimatstadt Gräfenhainichen und ein großer Teil Wittenbergs brannten nieder. So ist es zu verstehen, dass neben den vielen harten Erfahrungen, die er machen musste, auch der Dreißigjährige Krieg ihn prägte und Niederschlag in seinem Werk fand, vor allem in seinen Passionsliedern. „Das menschliche Leben wird transparent für Gottes Handeln. Die ganze belebte und unbelebte Schöpfung wird zum Bild für Gottes Ewigkeit. Der oft graue Alltag verwandelt sich zu einem Leben unter dem geöffneten Himmel Gottes... Indem Paul Gerhardt den Einzelnen mit seinen ganz persönlichen Schwierigkeiten und Problemen zur Sprache bringt, vermag er ihm eine Brücke zum Glauben zu bauen... Es wirkt, als ob Paul Gerhardt die Trostkraft seiner Lieder zuerst an sich selbst getestet hätte! Das macht ihn so glaubwürdig...“ [1]

Man muss also die Zeit sehen, in der er lebte, um die Tiefe und Schönheit seiner Dichtung erfassen zu können. Und man versteht, warum seine Lieder uns gerade auch in den dunklen, traurigen Stunden unseres Lebens so sehr berühren und ansprechen. Singen wir daher nun einmal einige Verse aus dem Lied „Nun danket all und bringet Ehr“, ein Lied, das mitten im Dreißigjährigen Krieg entstand:

 

 

Lied: EG  322   1-6   Nun danket all und bringet Ehr

 

 

Neben dem langen unsäglichen Krieg waren es aber auch die persönlichen Heimsuchungen und Leiden, die das Leben und damit das Werk von Paul Gerhardt prägten. Er erlebt den frühen Tod seiner Frau und den von drei seiner Kinder. Auch seine Schwägerin, die ihm nach dem Tod seiner Frau im Haushalt hilft, stirbt 1674. Mitten in die Kriegszeiten kommt es zu einem markanten Kirchenstreit, der zu seiner Amtsenthebung führt. Die lutherischen Pfarrer leisten Widerstand gegen die Absicht des Kurfürsten Friedrich Wilhelm den reformierten Einfluss in seinem Land zu stärken. Die Reformierten, durch die Theologie von Zwingli und Calvin geprägt, wirkten dem Fürsten fortschrittlicher und nützlicher für den Aufbau seines Landes. Paul Gerhardt fühlt sich aber der lutherischen Orthodoxie verpflichtet, so dass er 1666 entlassen wird. Auch wenn er auf der Kanzel wohl kaum Stellung bezog, war er dennoch einer der Wortführer der lutherischen Sache, was viele erhaltene Akten belegen. Hier zeigte er sich als profunder Theologe mit einem klaren, logischen Denken. Damit war er als Familienvater für viele Jahre arbeitslos. 1666, also im Jahr seiner Entlassung und inmitten harter Auseinandersetzungen schreibt er das Lied: „Die güldne Sonne“, hören wir uns einmal in dieses Lied hinein, in dem wir einige Verse daraus singen:

 

 

Lied: EG  449   1-4,8,12   Die güldne Sonne

 

 

Was für eine Kraft muss Paul Gerhardt gehabt haben, um in einer solchen Lebensphase derartige Verse schreiben zu können? Als Pfarrer musste er zahlreiche Gottesdienste halten, die viel länger waren, als unsere Gottesdienste heute. Über eine Stunde konnte allein die Predigt dauern, er musste Beichtgespräche führen und natürlich Trauungen, Taufen und Beerdigungen machen. Darüber hinaus oblag ihm später auch die Schulaufsicht. Trotz all dieser beruflichen Belastungen und persönlichen Herausforderungen schrieb er seine Lieder. Er schrieb 139 Gedichte in deutscher Sprache, so wie 15 lateinische. Er ist mit 26 Liedern in unserem Gesangbuch vertreten, einige seiner Leider finden sich auch im Gotteslob der Katholischen Kirche. Entscheidend dafür war aber auch der Kontakt zum Kantor Johann Crüger, der seine Gedichte höchst empfindsam vertonte und so dazu beitrug, dass sie bald überall bekannt waren.

 

„Paul Gerhardts Lieder stellen heute, in einer Zeit weit verbreiteter religiöser Sprachlosigkeit angesichts von Angst, Schmerz, Schuld und Tod eine unverzichtbare Sprachhilfe des Glaubens dar... Indem seine Lieder Hilfe zum Glauben bieten, vermitteln sie gleichzeitig Lebenshilfe, und zwar bis auf den heutigen Tag ungezählten Menschen auf der ganzen Welt... Zur Kraft, trösten zu können, tritt das therapeutische Potential der Lieder“, wie es einmal gesagt wurde.

„Es erwächst aus dem Grundton der Freude, der in der Bejahung der Schöpfung und des Lebens seine Ursache hat und die Lieder Paul Gerhardts prägt...“ [2]

 

Du meine Seele, singe, wohlauf und singe schön dem, welchem alle Dinge zu Dienst und Willen stehn. Ich will den Herren droben hier preisen auf der Erd; ich will ihn herzlich loben, solang ich leben werd.

 

Paul Gerhardt, Du meine Seele, singe (EG 302)

 

So wird er allein durch seine wunderschön vertonten Texte zu einem Seelsorger über die Zeit hinweg, zu einem Prediger des Glaubens des Gottes, der sich in seiner guten Schöpfung zeigt, und gerade auch in den leidvollen Stunden menschlicher Existenz erfahrbar ist. Michael Heymel spricht in einem Aufsatz „Die Welt ist mir ein Lachen“ von einer „poetischen Theologie“. [3] Mit ihr wollte er den Glauben – das ganze Kirchenjahr begleitend - lernbar machen.

 

Wie anders könnten wir aus unserer Kirche heraus gehen und einen Gottesdienst in diesem schönen Park - mitten in der Stadt - und unter diesen uralten Bäumen feiern, als mit dem Lied: Geh aus, mein Herz, und suche Freud.

 

 

Lied: EG  503   1-3,8,14 +15   Geh aus, mein Herz, und suche Freud

 

 


 

Literatur:

 

1) Zimmerling, P., Deutsches Pfarrerblatt 3/2007, S. 123ff, in:

    www.pfarrverband.de/pfarrerblatt/archiv.html

2) Zimmerling, P., a.a.O., S. 125

3) Heymel, M., Die Welt ist mir ein Lachen, in:

    www.pfarrverband.de/pfarrerblatt/archiv.html

 

 

Evangelisches Kirchengesangbuch (EG), Karlsruhe 19951

Bahr, P., Paul Gerhardt, leben und Wirkung, Freiburg, 2007

 

 

Quellen zu Paul Gerhardt im Internet:

 

http://gutenberg.spiegel.de/autor=Gerhardt

www.heiligenlexikon.de/BiographienP/Paul_Gerhardt.htm

 

 

Wir weisen darauf hin, dass Sie alle unsere Predigten im Internet nachlesen können. Sie finden sie unter:

 

http://www.evang-kirche-kenzingen.de oder:

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