Estomihi, Markus 8, 31-38

 

 

 

Begrüßung:

 

Liebe Gemeinde! Jedes Wort hat seine Bedeutung! Gleiches gilt natürlich auch für das biblische Wort. Wir werden heute hören, wie unterschiedlich Texte aufgefasst werden können und darum gilt es für uns Christen immer mehr zu hören als ein Wort. Mitten im närrischen Treiben geht es heute nicht um eine heitere Narrenpredigt, sondern es geht darum, uns vom Lachen der Narren heute zu einem begründeten Osterlachen die Passionszeit hindurch begleiten zu lassen. Schon die Römer sagten: Die wahre Freude ist eine ernste Sache.

 

Das Wort vom Kreuz, muss denen, die verloren gehen, als barer Unsinn erscheinen.

Wir aber, die gerettet werden, erfahren darin Gottes Kraft. (1.Kor 1,18)

 

 

 

Gebet:

 

Herr, guter Gott! Wie hören wir dich aus deinem guten Wort heraus, was hören wir und welche Konsequenzen hat das Evangelium dann für uns und unser Leben? Hören wir es wie ein neues Sittengesetz, als moralische und ethische Anweisungen für ein besseres Leben oder hören wir es wirklich als „Evangelium“, als ein frohes und frei machendes Wort? Lass es uns gerade heute – mitten in der Fasnet - so hören, dass es uns auf einen guten Weg bringt, so dass nicht das Lachen der Narren und ihr Treiben den Ernst und die Freude deines Wortes überlagert. Lass es uns so hören, dass, wer zuletzt lacht, am besten lacht. Amen.


 

 

Danach begann Jesus den Jüngern klarzumachen, was Gott mit ihm vorhatte: dass der Menschensohn vieles erleiden und von den Ratsältesten, den führenden Priestern und den Gesetzeslehrern verworfen werden müsse, dass er getötet werden und nach drei Tagen auferstehen müsse. Jesus sagte ihnen das ganz offen. Da nahm Petrus ihn beiseite, fuhr ihn an und wollte ihm das ausreden. Aber Jesus wandte sich um, sah die anderen Jünger und wies Petrus scharf zurecht. »Geh weg!« sagte er. »Hinter mich, an deinen Platz, du Satan!« Deine Gedanken stammen nicht von Gott, sie sind typisch menschlich.«

 

Dann rief Jesus die ganze Menschenmenge hinzu und sagte: »Wer mir folgen will, muss sich und seine Wünsche aufgeben, sein Kreuz auf sich nehmen und auf meinem Weg hinter mir hergehen. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren. Aber wer sein Leben wegen mir und wegen der Guten Nachricht verliert, wird es retten. Was hat ein Mensch davon, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber zuletzt sein Leben verliert? Womit will er es dann zurückkaufen? Die Menschen dieser schuldbeladenen Generation wollen von Gott nichts wissen. Wenn jemand nicht den Mut hat, sich vor ihnen zu mir und meiner Botschaft zu bekennen, dann wird auch der Menschensohn keinen Mut haben, sich zu ihm zu bekennen, wenn er in der Herrlichkeit seines Vaters mit den heiligen Engeln kommt!«

 

 

 

 


Liebe Gemeinde!

 

Fast jedes Wort der Bibel hat Spuren hinterlassen, im Leben von einzelnen Menschen, im Leben von Kirchen und Konfessionen und so dann natürlich auch hineingestrahlt in das gesellschaftliche Leben der jeweiligen Zeit. Geschichte, auch Weltgeschichte wurde auf diese Weise geschrieben. Texte werden schließlich so bedeutsam, dass sie ihre eigene Wirkungsgeschichte bekommen. Und immer sind sie mit Menschen in ganz konkreten Lebenssituationen verbunden. In den acht Versen unsers Predigttextes gibt es gleich zwei Verse, die eine Bedeutung entwickelt haben, die weit über das Leben eines einzelnen Menschen hinausreicht.

 

Jesus sagt: „Wer mir folgen will, muss sich und seine Wünsche aufgeben, sein Kreuz auf sich nehmen und auf meinem Weg hinter mir hergehen...“

 

„Über den ersten Kreuzzug (1095 unter Papst Urban II) liegen Darstellungen von zahlreichen Teilnehmern und Zeitgenossen vor. Die älteste Darstellung ... beginnt mit den Worten: `Als schon jener Zeitpunkt herangekommen war, den der Herr Jesus täglich seinen Gläubigen zeigt, vor allem, indem er im Evangelium sagt: „Wenn Jemand mit mir gehen will, verleugne er sich selbst und nehme sein Kreuz und folge mir“ (Markus 8,34), erhob sich in allen Gegenden Frankreichs eine starke Bewegung, dass, wenn Einer mit Eifer, reinem Herzen und reinem Gemüt dem Herrn zu folgen wünsche und ihm freudig das Kreuz nachtragen wolle, er nicht zögere, eiligst die Fahrt nach dem Heiligen Grab zu unternehmen... ´“ 1)

 

Hier hören wir, wie das Wort von der Kreuzesnachfolge Jesu, den ersten Kreuzzug auslöst. Oft sind die Kreuzzüge der Kirche kritisiert worden, vielfach zu recht, oft aber einfach nur uninformiert und pauschal. Die Absicht, zumindest für den ersten Kreuzzug, war nachvollziehbar, war es den damaligen Christen ein wirklich großes Problem, Jerusalem und damit das Grab Jesu in der Hand von Nicht-Christen zu wissen, den Ort, wo viele Menschen – übrigens bis auf den heutigen Tag - sich Jesus besonders nahe fühlen. Einen Krieg, dazu unter dem Schlachtruf eines Kreuzzuges rechtfertigt das natürlich nicht, so wenig, wie der von Präsident Busch ausgerufene Kreuzzug gegen das, was er als Terrorismus ansah. Wie sehr auch er sich geirrt hat und was er damit anrichtete, müssen wir immer noch in regelmäßigen Abständen erleben und mache Menschen sogar erleiden.

 

Man hört ein bestimmtes Bibelwort, bezieht es auf eine konkrete Situation und marschiert geistlich los. Besser wäre, das Evangelium so zu hören und zu leben, dass es wirklich zu einem Evangelium, zu einer frohen und befreienden Botschaft wird. Wo man sich in anderer Absicht auf die Bibel beruft, sollte man sie sehr viel genauer lesen.

 

Ein zweites Wort aus unserem Textzusammenhang hat seine Wirkungsgeschichte entwickelt, nun aber in einer ganz anderen Weise: „Wer mir folgen will, muss sich und seine Wünsche aufgeben, sein Kreuz auf sich nehmen und auf meinem Weg hinter mir hergehen...“, so haben wir es eben gehört und der darauf folgende Vers lautet: „Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren. Aber wer sein Leben wegen mir und wegen der Guten Nachricht verliert, wird es retten...“ (Markus 8,35). Beide Verse hängen natürlich miteinander zusammen.

Dieses Bibelwort hat eine große, ja zentrale Rolle im Leben Albert Schweitzers gespielt. So schreibt er selbst in seinem Buch: „Aus meinem Leben und Denken“, das er 1931 veröffentlichte:

 

„ ... Am 13. Oktober 1905, einem Freitag, warf ich zu Paris in einen Briefkasten [der Avenue de la Grande Armée] Briefe ein, in denen ich meinen Eltern und einigen meiner nächsten Bekannten mitteilte, dass ich mit Anfang des Wintersemesters Student der Medizin werden würde, um mich später als Arzt nach Äquatorialafrika zu begeben.  In einem der Briefe kündigte ich im Hinblick auf die Inanspruchnahme durch das bevorstehende Studium meine Stellung als Leiter des theologischen Studienstifts zu St. Thomas [in Straßburg]. Den Plan, den ich nun zu verwirklichen unternahm, trug ich schon länger mit mir herum. Sein Ursprung reicht in meine Studentenzeit zurück. Es kam mir unfasslich vor, dass ich, wo ich so viele Menschen um mich herum mit Leid und Sorge ringen sah, ein glückliches Leben führen durfte...

 

An einem strahlenden Sommermorgen, als ich – es war im Jahre 1896 – in [den] Pfingstferien zu Günsbach erwachte, überfiel mich der Gedanke, dass ich dieses Glück nicht als etwas Selbstverständliches hinnehmen dürfe, sondern etwas dafür geben müsse... Gar viel hatte mich beschäftigt, welche Bedeutung dem Worte Jesu, „Wer sein Leben will behalten, der wird es verlieren, und wer sein Leben verliert um meinet- und des Evangeliums willen, der wird es behalten“ (Markus 8,35), für mich zukomme. Jetzt war sie gefunden. Zu dem äußeren Glücke besaß ich nun das innerliche. Welcher Art das für später geplante Wirken sein würde, war mir damals noch nicht klar...“ 2)

 

Zwei Bibelverse, zusammenhängend, doch mit zwei sehr unterschiedlichen Wirkungsgeschichten. Das eine Wort versucht eine Kreuzzugsbewegung in Gang zu setzen, das andere bewegt einen hochbegabten, brillanten Theologen, seinem Leben noch einmal eine ganz andere Wendung zu geben, um sich dann später in Lambarene in den aufopferungsvollen Dienst an seinen Mitmenschen nehmen zu lassen. Eingerahmt werden diese beiden Verse mit dem Hinweis Jesu auf seinen Tod und seine Auferstehung, dem Konflikt mit Petrus und der Aufforderung zum Bekenntnis seines Glaubens. Eben: „Was hat der Mensch davon, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber zuletzt sein Leben verliert?“

 

Jesus spricht offen über seine Zukunft, er sieht den Tod kommen, nicht etwa von den Juden allein verursacht und zu verantworten, wie es die Piusbruderschaft so gern darstellt, sondern von ganz konkreten Ältesten, den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten. Sie stehen hier für alle Menschen, die sich gern auf ihren Gott berufen, aber dabei nur sich selbst und ihre eigenen Absichten und Ansichten von Gott gelten lassen. Sie verfügen über Gott und machen aus ihm eine Waffe gegen andere Menschen und Meinungen. Sie verwalten den Glauben gegen einen Gott der Liebe und so schaffen sie es aus dem Evangelium, dem guten Wort Gottes, ein Gesetz zu machen, voller Enge und Unfreiheit. In ihnen können wir uns alle sehen. Am Ende steht so das Kreuz Jesu.

 

Und Petrus, auf den sich ja das römische Papsttum gründet, widerspricht Jesus und will ihm das ausreden. Auch er meint, wenngleich in bester Absicht, zu wissen, was gut und richtig für Jesus ist. Doch er wird zurück gewiesen, als Satan wird er von Jesus tituliert.

Der Satan, das ist jemand, der einen Menschen auf die Probe stellt, wie wir ihn aus dem Hiobbuch kennen oder als Ankläger gerade auch Gott gegenüber. Als Widersacher des Menschen hat er die Rolle eines Staatsanwaltes, der aufzählt, was alles falsch gemacht wurde. Petrus stellt Jesus unwissentlich auf die Probe und damit seinen Weg in Frage. Daher nun auch die harte Reaktion Jesu. Erst im Zusammenhang von Karfreitag und Ostern werden die Jünger, die Freunde Jesu und alle, denen er bedeutsam geworden war, begreifen, was Jesus selbst geschehen lassen musste und woran kein Weg für ihn vorbei führen konnte.

 

Was wir hier konflikthaft erleben zeigt, wie sehr Petrus seinen Freund Jesus liebt. Aber damit legt er Jesus auf sein eigenes Bild, das er sich von ihm gemacht hat, fest und da beginnt der Irrtum. Auch er meint ja aus seiner Freundschaft und Nähe zu Jesus heraus, zu wissen, was gut für Jesus ist. Mit seinem eigenen Bild von seinem Freund legt er ihn fest: So und nicht anders will er ihn haben und auf keinen Fall soll Jesus leiden und sterben. Aber, was hier „Liebe“ ist, das lebt Jesus ihm nun in der Folgezeit vor. Wer liebt, nimmt auch das Leiden mit in Kauf, vor allem natürlich das Mitleiden an der Not eines anderen. Darum kann Jesus keinen anderen Weg gehen, darum konnte aber auch Albert Schweitzer keinen anderen Weg gehen.

 

Und so ruft Jesus die „schuldbeladene Generation“ dazu auf, sich zu seiner Botschaft und zu ihm zu bekennen. Nun allerdings auch dann, wenn sie uns aus unserer Liebe heraus etwas kosten würde. Was wäre das denn für eine Liebe, die für uns folgenlos bliebe? So ruft uns das Wort Jesu in die Nachfolge, auch in der Bereitschaft zum Mitleid an der Welt. Nicht Kreuzzüge sind gefragt, sondern eine Liebe, die sich in Taten erweist, die das Evangelium als eine wirklich frohe und befreiende Botschaft bekundet. Nicht jeder von uns muss da nach Afrika gehen, das war Schweitzers Weg, aber jeder von uns ist eben dort nach seinem Glauben und seinem Glaubenszeugnis gefragt, wo er oder sie lebt.

 

Für Jesus wird sein menschliches Ende zu einem Anfang in der Gegenwart Gottes. Und eben das ist der Weg, den er uns ebenfalls in Aussicht stellt. Gerade in der kommenden Passionszeit werden wir dazu herausgefordert, den Mut aufzubringen, die Welt zu sehen, wie sie mit all ihren Todesstrukturen nun einmal ist, ohne uns da etwas vorzumachen und uns doch damit nicht zufrieden zu geben. Gerade in dieser Zeit sind wir danach gefragt, ob wir bei den Trauernden unter dem Kreuz Jesu stehen bleiben oder dann, wenn es so weit ist, einstimmen können in den Osterjubel und das Lachen, ohne das kein Osterfest gefeiert werden kann. Wie kommen wir also vom Lachen der Narren und ihrem fröhlichen Treiben zu diesem im Glauben und Vertrauen begründeten Lachen am Ostertag? Denn so erst bekommt dann Gott das letzte Wort und nicht der Tod. Amen.

 

 


 

 

 

Literatur:

 

1) Staehelin, E., Die Verkündigung des Reiches Gottes in der Kirche Jesu Christi,

    Band II, Basel, 1953, S. 353f

2) Schweitzer, A., Aus meinem Leben und Denken, Bern, 19311, S. 71

 

 

Drewermann, E., Das Markusevangelium, Erster Teil, Freiburg, 19917, S. 555ff

Meier, D., Estomihi, in: Göttinger Predigtmeditationen, 2008, 63. Jhrg., Heft 1,

Göttingen, S. 141ff

Heider, M., Estomihi, in: http://www.pfarrverband.de/pfarrerblatt/predigthilfen.html

 

 

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