Gründonnerstag, Markus 14,17-26

 

 

Begrüßung:

 

Liebe Gemeinde! Mit dem Gründonnerstagabend werden wir auf den Karfreitag hingeführt. Wir hören die Frage der Jünger: „Herr, bin ich´s?“ und sind selbst nach unserem Tun und Lassen gefragt. Wie oft versagen wir in unserem Leben und reden uns heraus, denn Schuld haben immer nur die anderen. So lassen Sie uns heute die Frage: „Herr, bin ich´s?“ einmal ganz neu hören und für uns selbst auch stellen.

 

Aber Gott hat uns einen neuen Himmel und eine neue Erde versprochen. Dort wird es kein Unrecht mehr geben, weil Gottes Wille regiert. Auf diese neue Welt warten wir (2.Petr 3,13).

 

 

Gebet:

 

Herr, guter Gott! Wir danken dir für das Brot und den Wein als Zeichen deiner Gegenwart in unserer Mitte, wir danken dir vor allem dafür, dass es ein Brückenschlag ist zwischen Dir, Gott, und mir, und mir und der Welt, die wir alle miteinander teilen. Lass uns an diesem Abend spüren, in wie weit wir - gerade durch das Mahl des Herrn - herausgefordert sind zu einer verbindlichen Ethik der Versöhnung, weil sonst ja doch nur alles beim Alten bleibt und wir Tag für Tag dem Mitmenschen zum Kreuz werden. Herr, wir bitten um deinen guten Geist für uns selbst und für die ganze Welt. Uns daran immer wieder zu erinnern, dafür schenkst du dich auch uns in Brot und Wein.

 

Wir danken dir für alle Menschen unter uns, die uns mit ihrem Glauben ein Vorbild sind und die sich in unserer Gemeinde und Kirche mit ihrem Engagement einbringen. Vor dir bringen wir nun auch voller Dankbarkeit alle Menschen in Erinnerung, die uns den Weg zu dir vorangegangen sind – und beten für uns, unsere Gemeinde, unsere katholischen Mitchristen, unsere kleine Stadt und für die ganze Welt. Amen.

 

 


Als es Abend geworden war, kam Jesus mit den Zwölf dorthin. Während der Mahlzeit sagte er: »Ich versichere euch: Einer von euch wird mich verraten - einer, der jetzt mit mir isst.« Sie waren bestürzt, und einer nach dem andern fragte ihn: »Bin ich´s?« Jesus antwortete: »Einer von euch zwölf wird es tun; einer, der sein Brot mit mir in dieselbe Schüssel taucht. Der Menschensohn muss zwar sterben, wie es in den Heiligen Schriften angekündigt ist. Aber wehe dem Menschen, der den Menschensohn verrät! Er wäre besser nie geboren worden!« Während der Mahlzeit nahm Jesus ein Brot, sprach das Segensgebet darüber, brach es in Stücke und gab es ihnen mit den Worten: »Nehmt, das ist mein Leib!« Dann nahm er den Becher, sprach darüber das Dankgebet, gab ihnen auch den, und alle tranken daraus. Dabei sagte er zu ihnen: »Das ist mein Blut, das für alle Menschen vergossen wird. Mit ihm wird der Bund in Kraft gesetzt, den Gott jetzt mit den Menschen schließt. Ich sage euch: Ich werde keinen Wein mehr trinken, bis ich ihn neu trinken werde an dem Tag, an dem Gott sein Werk vollendet hat!« Dann sangen sie die Dankpsalmen und gingen hinaus zum Ölberg.


 

 

 

Liebe Gemeinde!

 

Wer am Gründonnerstagabend in die Kirche kommt, hat seine guten Gründe dafür. Der Abend vor dem Karfreitag soll in besonderer Weise bedacht werden, gerade darum, weil wir um unsere sehr menschlichen Grenzen wissen. Dieser Abend macht uns empfindsam für Nähe und Distanz, Freundschaft und Verrat! [1] Wir ahnen doch wohl wenigstens etwas davon, dass es neben all den tiefen vertrauenden Glaubenswurzeln eben immer auch Versagen und Verrat am Glauben gibt.

 

Schauen wir uns die alten traditionellen Abendmahlsbilder an, so sehen wir immer auf einen langen Tisch hinter dem Jesus und seine Jünger das Abendmahl teilen. Oft spürt man den Menschen auf diesen Bildern eine Bewegung ab, die gerade von dieser Frage: „Herr, bin ich´s?“ herrührt. Aber, und das ist eigentlich das Wichtige und alles Entscheidende, wir sehen auf diese Menschen um Jesus herum, doch es gibt noch viele freie Plätze am Tisch. Wer bewusst auf den Karfreitag zugeht wird von einer tiefen Nachdenklichkeit ergriffen sein, weil wir uns und unser Leben ja nicht von unseren dunklen Schatten lösen können. Versagen, Schuld und Misslingen bis in unsere Beziehungen hinein, begleiten unser Leben. Würden denn wir auf den Vorwurf von Verrat nicht auch zunächst einmal fragen: „Herr, bin ich´s?“, wohl wissend, dass damit auch wir gemeint sind. Judas wusste schließlich sehr genau, was er tat.

 

Vom „Parlament der Weltreligionen“ wurde 1993 in Chicago unter Federführung des katholischen Theologen Hans Küng eine „Erklärung zum Weltethos“ abgegeben. Dort heißt es:

 

„Die Welt liegt in Agonie. Diese Agonie ist so durchdringend und bedrängend, dass wir uns herausgefordert fühlen, ihre Erscheinungsformen zu benennen, so dass die Tiefe unserer Besorgnis deutlich werden mag. Der Friede entzieht sich uns – der Planet wird zerstört – Nachbarn leben in Angst – Frauen und Männer sind entfremdet voneinander – Kinder sterben! Das ist abscheulich! Wir verurteilen den Missbrauch der Ökosysteme unserer Erde. Wir verurteilen die Armut, die Lebenschancen erstickt; den Hunger, der den menschlichen Körper schwächt; die wirtschaftlichen Ungleichheiten, die so viele Familien mit Ruin bedrohen. Wir verurteilen die soziale Unordnung der Nationen; die Missachtung der Gerechtigkeit, welche Bürger an den Rand drängt; die Anarchie, welche in unseren Gemeinden Platz greift; und den sinnlosen Tod von Kindern durch Gewalt. Insbesondere verurteilen wir Aggression und Hass im Namen der Religion. Diese Agonie muss nicht sein. Sie muss nicht sein, weil die Grundlage für ein Ethos bereits existiert. Dieses Ethos bietet die Möglichkeit zu einer besseren individuellen und globalen Ordnung und führt die Menschen weg von Verzweiflung und die Gesellschaften weg vom Chaos...“ [2]

 

Das ist die Wirklichkeit unserer Welt, die sich nicht mehr mit der trügerischen Frage herausreden kann: „Herr, bin ich´s“, denn uns ist bewusst, dass wir es sind (!), die die Welt verraten, weil wir unseren Glauben verraten und damit den Herrn der Kirche. Jesus wusste das an diesem Abend, an dem er von Judas verraten wurde, verschachert für ein paar Euro an die Interessen der religiösen Machthaber. Oft genug hatte er in seinen Predigten darauf hingewiesen, dass es einen bequemen, einfachen Glauben nicht gibt, sondern dass er uns mehr kostet, als wir einzubringen vermögen.

Und doch bricht Jesus dieses Abendessen mit seinen Freunden nicht ab, sondern er gibt ihnen ein Wort und Zeichen mit auf den Weg, die von nun an fundamental für ihren Glauben sein würden. In Israel war es üblich, ein männliches Lamm zu schlachten, um diesem alle menschliche Schuld aufzuerlegen. Damit wird es zu einem Bild des „Sündenbocks“. Ein unschuldiges Tier wird zum Opfer für den schuldigen Menschen. Obgleich es nur wenig Grund zu einem Fest und zum Feiern gibt, lässt Jesus von seinen Jüngern ein solches Fest vorbereiten, es wird wohl den Evangelisten nach das Passahfest gewesen sein. Aber von nun an sollen seine Freunde nicht mehr an den Exodus erinnert werden, den Auszug in grauer Vorzeit aus Ägypten, sondern an ihn selbst als den gegenwärtigen Herrn.

 

Jesus bezieht das Bild des Opfers auf sich selbst. Durch sein Opfer versöhnt er die Welt mit Gott. Im Brot und im Wein wird eine Gemeinschaft mit allen gestiftet, die ihm vertrauen und eine Hoffnung geschenkt, die weiter reicht, als bis zum Tod. „Sein Opfer überbietet das Passah-Opfer... Am Tisch des Herrn auf der Erde wird des Herrn `gedacht´, wird vom Opfer Jesu Christi gesprochen, wird sein Tod verkündigt, wird die Gemeinschaft mit ihm gefeiert; doch wird hier weder symbolisch noch auf irgendeine andere Weise der Vorgang eines Sterbens abgebildet oder ein Blutritus vollzogen.... [3] Es wird ein neuer Bund gestiftet, einmalig und exklusiv. Niemals würde ein solches Opfer wiederholt werden können an das wir von nun an erinnert sind, wenn wir des Herrn gedenken.

 

Das Abendmahl wird für uns alle zu einer „Ethik der Versöhnung“ (K.Barth), nur so können wir es mit allen Konsequenzen für uns und unseren Glauben, wie aber auch für die uns anvertraute Welt feiern. Mit einer solchen „Ethik der Versöhnung“ will das Parlament der Weltreligionen zu einem Frieden beitragen, der Geltung haben soll. So heißt es dort weiter:

 

„Wir erklären: Wir sind alle voneinander abhängig. Jeder von uns hängt vom Wohlergehen des Ganzen ab. Deshalb haben wir Achtung vor der Gemeinschaft der Lebewesen, Menschen, Tiere und Pflanzen, und haben Sorge für die Erhaltung der Erde, der Luft, des Wassers und des Bodens. Wir tragen die individuelle Verantwortung für alles, was wir tun. All unsere Entscheidungen, Handlungen und Unterlassungen haben Konsequenzen. Wir müssen andere behandeln, wie wir von anderen behandelt werden wollen. Wir verpflichten uns, Leben und Würde, Individualität und Verschiedenheit zu achten, so dass jede Person menschlich behandelt wird – und zwar ohne Ausnahme...“ [4]

 

Das ist der Geist, den Jesus der Welt geschenkt hat und eben das ist der Geist, aus dem heraus Menschen das Abendmahl feiern sollen. Hier sind sie an den neuen Bund erinnert, an die Gemeinschaft mit ihrem Herrn, das aber verpflichtet uns zu einem dem entsprechenden Leben. Das Mahl des Herrn ist eben keine individuelle Privatangelegenheit, sondern nimmt einen jeden in die Verantwortung für Glaube und Welt. Hier wird deutlich, was uns der neue Bund bedeutet, ohne dass damit der alte Bund außer Kraft gesetzt wäre. Die Bibel Jesu ist ja auch die Bibel der Kirche und Gott ist nicht nur der Gott Israels, sondern eben auch unser Gott – so, wie der Gott unserer moslemischen Mitmenschen. Wir müssen also leben lernen, was wir vorgeben zu glauben. Und auch daran sind wir mit dem Abendmahl erinnert, soll es nicht zu einer weltfremden, weltfernen Aktion verkommen.

Und darum wurde dieses Mahl von Anfang an so oft als möglich, zumindest aber in jedem Gottesdienst gefeiert.

 

Ja, wir sind gemeint, wir sind es, die ihren Glauben leben oder ihn verraten und damit Gott selbst, wir sind verantwortlich für das Gesicht unserer Welt, für das Zusammenleben in unseren Städten, in unseren Familien und an unseren Arbeitsplätzen, denn auf die Frage: „Herr, bin ich´s“, gibt es nur eine einzige Antwort: Ja, ich bin´s! Aber – und das ist das Entscheidende - jetzt, nachdem der Verrat offenkundig ist, setzt Jesus das Mahl der Versöhnung und der Gemeinschaft im Glauben ein, der Versöhnung mit Gott und den Menschen, der Gemeinschaft mit Gott und den Menschen. Wo das verstanden wird, da werden dann die Menschen auch untereinander versöhnt und gemeinschaftsfähig leben.

 

Das ist die Kraft des geteilten Brotes, des geteilten Kelches. Lassen auch wir uns immer wieder neu mit Brot und Wein beschenken, um aus dieser „Ethik der Versöhnung“ heraus leben zu lernen. Sie allein ist es, welche die Kreuze in der Welt an die wir einander immer wieder festnageln wollen, zu Feuerholz macht. Ja, so bleiben auch wir eingeladen – trotz allem! Amen.

 

 

 

 

Literatur:

 

1) Wintzer, F., Calwer Predigthilfen, 1998/1999, 1. Halbband, Stuttgart, 1998, S. 182

2) Parlament der Weltreligionen, Chicago, 1993, „Erklärung zum Weltethos“,

    http://www.weltethos.org/st_3_xx/s_dek2_d.htm

3) Barth. M., Das Mahl des Herrn, Neukirchen-Vluyn, 1987, S. 28

4) Parlament der Weltreligionen, a.a.O.

 

 

Drewermann, E., Das Matthäusevangelium, Düsseldorf, 1995, S. 245ff

Drewermann, E., Das Markusevangelium, Olten, 19914, S. 450ff

 

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