Sexagesimea, Lukas 8,4-15

 

 

 

Begrüßung:

 

Liebe Gemeinde! Es ist schön, dass wir gerade auch in der hiesigen Fasnet unseren Gottesdienst feiern, ja das Wort Gottes miteinander teilen dürfen. Auch wenn die Reihen in unserer Kirche in diesen Wochen gelichteter sind, dürfen wir uns nach unserem Glauben fragen lassen, danach, wie das Wort Gottes denn auch heute noch bei uns ankommt und was daraus in unserem Leben wird? Lassen wir uns dazu einladen, gerade in diesen Wochen vor der Passionszeit, mehr zu hören, als den Lärm der Narren und mehr zu sehen, als das bunte Treiben einer fröhlichen Fasnet.

 

Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, so verstocket eure Herzen nicht.

(Hebräer 3,15).

 

 

 

Gebet:

 

Herr, guter Gott! Hab Dank für Dein gutes Wort. Wir bitten dich, dass es uns in unseren Alltag hinein begleitet, dorthin, wo wir leben, lieben, leiden, wo wir uns herausgefordert sehen, unsere Grenzen erkennen, doch auch dorthin, wo wir uns freuen und das Leben gelingt. Lass uns von deinem Wort begleitet werden, in all unseren Erwartungen und Hoffnungen, in der Sorge um Gegenwart und Zukunft. Herr, schenke es unseren Gottesdiensten, dass wir uns in einer Gemeinschaft wieder finden, in der unser Glaube ebenso einen Platz hat, wie unser Zweifel.

 

So danken wir dir für alle Menschen unter uns, die uns mit ihrem Glauben ein Vorbild sind und die sich in unserer Gemeinde und Kirche mit ihrem Engagement einbringen. Vor dir bringen wir nun auch voller Dankbarkeit alle Menschen in Erinnerung, die uns den Weg zu dir vorangegangen sind – und beten für uns, unsere Gemeinde, für unsere katholischen Mitchristen, für unsere kleine Stadt und für die ganze Welt. Amen.

 

Eine große Menschenmenge sammelte sich um Jesus, aus allen Orten strömten die Leute zu ihm. Da erzählte er ihnen ein Gleichnis: »Ein Bauer ging aufs Feld, um seinen Samen zu säen. Als er die Körner ausstreute, fiel ein Teil von ihnen auf den Weg. Dort wurden sie zertreten und von den Vögeln aufgepickt. Andere Körner fielen auf felsigen Boden. Sie gingen auf, vertrockneten dann aber, weil sie nicht genug Feuchtigkeit hatten. Wieder andere Körner fielen mitten in Dornengestrüpp, das wuchs mit auf und erstickte das Korn. Andere Körner schließlich fielen auf guten Boden, gingen auf und brachten hundertfache Frucht.« Darauf rief Jesus: »Wer Ohren hat, soll gut zuhören!«

 

Die Jünger fragten Jesus, was dieses Gleichnis bedeute. Jesus antwortete: »Euch hat Gott die Geheimnisse seines Planes erkennen lassen, nach dem er schon begonnen hat, seine Herrschaft in der Welt aufzurichten; die anderen bekommen davon nur in Gleichnissen zu hören. Sie sollen sehen und doch nichts erkennen, sie sollen hören und doch nichts verstehen. Das Gleichnis will folgendes sagen: Der Samen ist die Botschaft Gottes. Bei manchen, die sie hören, geht es wie bei dem Samen, der auf den Weg fällt. Der Teufel kommt und nimmt weg, was in ihr Herz gesät worden ist. Er will nicht, dass sie die Botschaft annehmen und gerettet werden. Bei anderen ist es wie bei dem Samen, der auf felsigen Boden fällt. Sie hören die Botschaft und nehmen sie mit Freuden an. Aber sie sind Menschen ohne Wurzel: Eine Zeitlang halten sie sich an die Botschaft; aber wenn sie auf die Probe gestellt werden, fallen sie ab. Wieder bei anderen ist es wie bei dem Samen, der in das Dornengestrüpp fällt. Sie hören zwar die Botschaft, aber dann gehen sie davon und ersticken in ihren Alltagssorgen, in Reichtum und Vergnügungen und bringen keine Frucht. Bei anderen schließlich ist es wie bei dem Samen, der auf guten Boden fällt. Sie nehmen die Botschaft mit gutem und willigem Herzen an, bewahren sie und bringen durch Standhaftigkeit Frucht.«


 

 

 

Liebe Gemeinde!

 

Hier hören wir es: Jesus spricht vor einer großen Menschenmenge, er ist nicht mit sich und seinen Jüngern allein. Die Menschen kommen von überall her, um ihn zu hören, ihn zu sehen, ihn zu erleben. Er ist unbestreitbar prominent. Heute gäbe es viele Fotos von ihm und Berichte in den verschiedensten Medien. Sicher geht es für viele Menschen zunächst einmal nur darum, die eigene Neugier zu befriedigen, die ja keine Erfindung der Neuzeit ist, andererseits muss Jesus mit seinem ganzen Auftreten, seiner Botschaft, seinen Taten ein berechtigtes Aufsehen erregt und so in eine Auseinandersetzung hinein geführt haben. In dem relativ kleinen Land Israel kam man wohl kaum an ihm vorbei. Und Jesus war natürlich klar, dass alles, was er sagte und tat, sehr unterschiedlich aufgenommen würde und daraufhin spricht er die große Menge nun in den Bildern der Saat und der Frucht an.

 

Er macht sich keine Illusionen darüber, dass viele Menschen ihn zwar hören und sehen, doch nur eine Minderheit, seinem Wort und Geist folgen werden. Das ist durchaus verständlich, denn stellen wir uns einmal vor, uns würde heute ein Mann, wie Jesus, begegnen, wie würden wir uns verhalten, würden wir seiner Lehre folgen? Andererseits zeigen die unzähligen Sekten und religiösen Strömungen mit ihren ganz unterschiedlichen Heilsversprechen, wie groß gerade heute wieder der Markt ist, sich seinen eigenen Weg zum Heil zu suchen. Nein, auch wir finden uns – wo auch immer - in diesem Gleichnis Jesu wieder.

 

Der katholische Theologe Fulbert Steffensky sagt einmal über den Gottesdienst und das ist ja heute der vorrangige Ort, an dem wir dem Wort Gottes begegnen: „Ich bin im Gottesdienst nicht allein. Um mich sind Alte und Junge, Männer und Frauen, Kluge und Dumme, Behinderte und Nicht-Behinderte, Kranke und Gesunde. Ich erlebe mehr Welt, als wenn ich bei mir selber oder immer bei meinesgleichen bliebe. Ich verlasse die Enge meines eigenen Kreises, und die Unsichtbaren treten ins Licht: Die Kranken, die Beschädigten, die Beladenen... Über weite Strecken im Gottesdienst hören wir zu. Wir hören die Orgel, wir hören die Geschichten, wir hören die Predigt... Wer sind die Menschen, die eine Predigt hören? Es sind Zeitgenossen. Sie kommen aus der Gegenwärtigkeit ihrer Wünsche, ihrer Leiden, ihrer Sorgen, und sie hören in der Predigt eine alte Nachricht...“ 1)

 

Hier im Gottesdienst sind wir ein wenig den Menschen vergleichbar, die Jesus damals hörten, nur dass wir eben allein das Wort haben, aus dem heraus wir ihn hören. Aber auch wir sind Menschen in aller Unterschiedlichkeit, Menschen, die aus sehr verschiedenen Anliegen einen Gottesdienst besuchen: Es gibt Menschen unter uns, denen es schlecht gehen würde, könnten sie nicht am Gottesdienst teilnehmen, andere kommen, um wieder einmal eine gottesdienstliche Gemeinschaft zu erleben und in ihrem Glauben bestärkt zu werden, wieder andere möchten gern einmal singen und können es hier im Gottesdienst eben besonders gut und es gibt Gemeindeglieder und Gäste, die gern in unsere Gottesdienste kommen, um durch die Predigt zu eigenen Gedanken im Blick auf die Welt und hinsichtlich ihres persönlichen Glaubens angeregt zu werden. Menschen kommen aber auch in den Gottesdienst, weil hier noch einmal der Name eines vertrauten Verstorbenen genannt wird oder weil man sich die Kirche anschauen möchte, in der dann meine kirchliche Trauung stattfinden wird.

 

Eltern kommen in den Gottesdienst und bringen ihre Kinder mit in die Krabbelecke, in den Kindergottesdienst oder den KiGo-Treff, damit gerade auch ihre Kinder in ihrer Kirche eine geistliche Heimat finden, verwurzelt werden. Wir spüren, es gibt viele sehr differente Anliegen, warum Menschen zu einem Gottesdienst kommen. In den Kasualien, der Taufe, Trauung oder der Beerdigung, den Ehejubiläen oder bei den Schulgottesdiensten, ja, bei allen Gottesdiensten zu den Schwellen unseres Lebens, geht es immer darum, uns vom Wort Gottes begleitet zu wissen.

 

Gerade in der Gegenwart sind die Kasualien besonders bedeutsam für die Kirche, da hier auch Menschen Gottesdienste erleben, die sonst vielleicht ihre Kirche aus einer gewissen Distanz erleben. Hier fühlen sie sich in einer besonderen Situation ihres Lebens von ihrem Pfarrer gottesdienstlich begleitet. Gerade die Kasualien tragen dazu bei, dass Menschen in der Kirche bleiben – auch heute noch oder umgekehrt durch sie wieder in die Kirche eintreten.

 

Wir erleben es also, wie Jesus es in seiner Zeit erlebte, dass das gute Wort Gottes sehr unterschiedlich gehört und dann gelebt wird. Wir müssen die Bilder Jesu nicht groß ausdeuten, aber dass es das Böse gibt, das uns vom Glauben abhält, ist wohl kaum zu bezweifeln, wenn wir uns die Welt anschauen. Da sind diejenigen, die längst ihre Wurzeln verloren haben, die wurzellos durch ihr Leben gehen und die von daher für Glaubensfragen ebenso verschlossen bleiben, wie für viele andere Fragen des Lebens auch. Und es gibt die unzähligen Menschen, die sch von ihren Alltagssorgen gefangen nehmen lassen und von daher blind und taub für den Glauben sind, wie all jene, denen es reicht oberflächlich in den Tag hinein zu leben, ohne sich Gedanken zu machen. Jesus selbst macht also sehr hellsichtig deutlich, dass der Glaube gegen mancherlei Widerstände bestehen muss.

 

Er sieht ja die vielfältigen Möglichkeiten, die uns Menschen davon abhalten, das Wort Gottes zu hören, sich von ihm zu einem tragfähigen Glauben bewegen zu lassen und dann auch aus dem Geist dieses Wortes heraus das Leben zu gestalten. Was ist denn der Glaube wert, wenn er nicht in den Alttag hinein gelebt wird, wenn er so privat bleibt, dass niemand weiß, aus welchem Geist heraus ich lebe? Der Glaube ist doch nur dann auch wirklich glaubwürdig, wenn er mit Leben erfüllt und dadurch so tragfähig wird, dass alle meine Lebenssituationen in Freude und Leid, die Höhen und Tiefen meines Lebens begleitet. In meinem Glauben ist Gott mir nah, wo immer ich bin und wer immer ich bin. Doch wo der Glaube mich nicht trägt, empfinde ich ja sehr bald auch die Gottesferne in der ich lebe.

 

Als ich an dieser Predigt arbeitete fiel mir ein Wort Martin Bubers ein, das mich mehr als nachdenklich machte. Dieser große alte jüdische Religionsphilosoph und Theologe sagte einmal: „Dass du Gott brauchst, mehr als alles, weiß du allzeit, in deinem Herzen. Aber nicht auch, dass Gott dich braucht? In der Fülle seiner Ewigkeit dich? Wie gäbe es den Menschen, wenn Gott ihn nicht brauchte, und wie gäbe es dich? Du brauchst Gott, um zu sein, und Gott braucht dich zu eben dem, was der Sinn deines Lebens ist...“ 2) Hier wird deutlich, dass der Glaube keine Einbahnstraße ist, denn unser Gott braucht eine Antwort unseres Glaubens. Es ist wie bei einer Liebesbeziehung, da kann auch nicht nur einer lieben und der Partner, die Partnerin bleibt passiv. Liebe beruht auf Gegenseitigkeit und so ist es wohl auch mit unserem Gott, dem Gott, der uns liebt, ja, der die Liebe schlechthin ist.

 

Und darum freut sich Gott, wenn wir mit unserem Glauben wuchern, ihn ausleben und andere daran teilhaben lassen, wenn wir mit unserem Glauben begeistern, so dass auch andere nicht umhin können, sich mit uns und damit zugleich auch mit unserem Glauben auseinander zu setzen. Wir können kaum sinnvoll über den Sinn unserer Existenz philosophieren, aber das, was wir für sinnvoll in unserem Leben halten, das soll gelebt werden, das muss getan sein, um uns darin zu bewähren.

 

Wo unserem Leben durch den Glauben an Gott Sinn geschenkt, sein Ja zu uns und unserer Existenz für uns wirklich bedeutsam ist, da wird sich dann die Frucht des Glaubens, um nun wieder im Bild unseres Gotteswortes zu sein, auch bewähren. Da müssen wir nicht mehr lange nachdenken, wir leben ihn und wo wir den Glauben leben, da wird er auch von anderen bemerkt.

 

Das absolut tröstliche des Gleichnisses Jesu ist, dass es immer auch eine gute Frucht geben wird. Da mag kommen, was will. Das nimmt uns ein wenig den Leistungsdruck, als käme es allein auf uns an. An uns liegt es, wenn wir uns von diesem Wort Jesu angesprochen fühlen, einmal zu bedenken, wie das Wort Gottes bei uns selbst ankommt und welche Frucht es dann bringt? Hier steht die Ermutigung zum Glauben in Vordergrund, nicht aber unser Selbstzweifel. Und Jesus? Er wusste um die Menschen und darum führt er sie immer wieder in eine Auseinandersetzung mit dem Glauben hinein. Er verlangt ein Ja oder Nein, aber er sieht auch den Fragenden, Suchenden, Zweifelnden, er sieht die Menschen auf ihrem Weg und gibt die Hoffnung nicht auf, dass auch sie Gott finden, wie er, Gott, sie schon von Beginn an ihres Lebens kennt.

 

Dem Evangelium Jesu geht es um die Liebe Gottes zu seinem Menschen, um die Liebe des Menschen zu seinem Gott, da ist kein Platz für Lieblosigkeit und falsche Gesetzlichkeit. Was wir tun können, das ist uns immer wieder einmal auf den Weg zu machen, um dieses Evangelium nun auch für unser eigenes Leben zu hören, wie die Menschen damals, die zu Jesus liefen, um ihn zu hören. Wie gut ist es, dass uns der Gottesdienst geschenkt ist, wo wir Gott hören und unseren Glauben auch mit anderen Menschen teilen dürfen.

 

Ich denke an den alten stocktauben Vater guter Freunde von mir, ein Russlanddeutscher. Nichts hörte er mehr von dem, was im Gottesdienst gesprochen wurde, aber er kam zu jedem Gottesdienst, den er mitfeiern konnte. Damals begann ich meine Predigten vor dem Gottesdienst für die Gemeinde auszulegen. Für diesen alten Mann war es gar nicht mehr so wichtig, alles zu hören, aber er ließ es sich nicht nehmen, mit allen anderen Gemeindegliedern den Gottesdienst zu feiern. Das war für mich immer ein beispielhaftes Gottesdienstverständnis, weil hier der Glaube von nichts mehr abhängig gemacht wurde. Er wusste ganz einfach um seinen Platz in der Gemeinde und hören konnte er seinen Gott längst in seinem Herzen, das hatte er schon in Sibirien gelernt. Amen.

 

 


Literatur:

 

1) Steffensky, F., Gottesdienst, in: Spirituell leben, Freiburg, 2002, S. 160

2) Buber, M., Gott braucht uns, in: Dorothee Sölle,

    Den Rhythmus des Lebens spüren, Freiburg, 2001, S. 120

 

Drewermann, E., Wenn der Himmel die erde berührt, Düsseldorf, 19932, S. 25ff

Ulrich, J., Göttinger Predigtmeditationen, 2008, 63. Jhrg., Heft 1,

Göttingen, S. 135

Senftleben, M., Sexagesimae, in: in: http://www.deutsches-pfarrerblatt.de/

 

 

Wir weisen darauf hin, dass Sie alle unsere Predigten im Internet nachlesen können. Sie finden sie unter:

 

http://www.evang-kirche-kenzingen.de oder:

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